Emanzipatorische Islamkritik contra rechtspopulistische Fremdenfeindlichkeit und reaktionäre Islamverteidigung.

 In Analyse der islamischen Herrschaftskultur

Plädoyer für eine dritte Kraft[1]

 

Im Zeichen der Bewilligung der Ehrenfelder Großmoschee ist Köln aktuell zum Hauptaustragungsort ebenso aufgeregter wie verworrener Kämpfe zwischen rechten Anti-Islamisierungskräften einerseits und einer bizarren Querfront von angeblich „antirassistischen“ Gegenkräften andererseits geworden. Pro-Moschee-Anhänger und Pro-Köln-Aktivisten stehen sich wie bereits vorausgeeilte Übungstrupps kommender bürgerkriegsähnlicher Auseinandersetzungen gegenüber. Auf der Strecke bleibt dabei allerdings zumeist das, worum es wirklich geht und worauf eine vernünftige Handlungsstrategie aufbauen müsste: die sorgfältige Analyse der sich zunehmend etablierenden islamischen Herrschaftskultur und die sich daraus ergebenden gesellschaftlichen Konsequenzen. Denn es geht letztlich nicht primär um die Höhe von Minaretten oder die Lautstärke von Gebetsrufen, sondern um eine gesellschaftspolitische Grundsatzentscheidung allererster Güte: Dulden, fördern und ermuntern wir die Festsetzung und Ausdehnung einer antiemanzipatorischen und antisäkularen Lebensordnung mit einer mittelalterlich-religiösen Ausrichtung? Subventionieren und tolerieren wir die erweiterte Reproduktion traditionalistisch-patriarchalischer Repressionsmilieus? Oder wirken wir diesen Strukturen entgegen und betreiben ihnen gegenüber eine abgestimmte und konsequente Eindämmungspolitik? Momentan jedenfalls steht eins fest: Die Hauptnutznießer dieser in jeder Hinsicht kontraproduktiven Konfrontation sind die orthodoxen und radikalen Muslimverbände sowie die türkisch-islamischen Nationalisten, also die Überwacher, Leiter und Vorbeter des zugewanderten islamischen Rechtsextremismus. Dabei müsste es doch eigentlich darum gehen, dass einheimische und zugewanderte Kräfte mit einer fortschrittlich-humanistischen Orientierung gemeinsam gegen die einheimischen und zugewanderten Reaktionäre auftreten, also jenseits von ethno-kulturellen Zwangs- und Zuschreibungsgemeinschaften für das gemeinsame Anliegen einer freien und gerechten Gesellschaft agieren.

Auf der KIK im Frühjahr dieses Jahres haben die Veranstalter deutlich gemacht, dass der Islam in seiner orthodoxen Kerngestalt nicht einfach nur als ein harmloses privates Glaubenssystem anzusehen ist, sondern eine umfassende Weltanschauung, politische Doktrin und Herrschaftsideologie darstellt. Betrachtet man seine zentralen Aussagen und Vorschriften und Normen, dann stellt sich der Islam als ein spezifisches System der Erzeugung und Reproduktion zwischenmenschlicher Herrschaftsverhältnisse und der dazu passenden unterwerfungsbereiten Subjektivität dar. Aufgrund eben dieser objektiven Beschaffenheit wirkt der Islam als reichlich sprudelnde Quelle vielfältiger Herrschafts-, Unterdrückungs- und Bestrafungspraktiken. Wer sich nicht scheut, genau hinzuschauen, kann dafür tagtäglich zahlreiche empirische Belege sammeln. Die leid erprobten Ex-Muslime haben deutlich gemacht, wie die islamisch legitimierte Herrschaftsordnung das Streben nach individueller Freiheit und Selbstbestimmung blutig sanktioniert, wie islamisch inkorrektes Handeln Steinigung und barbarische Strafpraktiken nach sich zieht, wie sich niemand straflos der islamisch regulierten Zwangsgemeinschaft entziehen kann, die dem archaischen Fetisch der Ehre gehorcht. Deutlich herausgearbeitet wurde zudem der Tatbestand, dass zentrale Grundnormen des Islam mit den Grund- und Menschenrechten, wie sie auch der deutschen Verfassungsordnung zugrunde liegen, unvereinbar sind. Das betrifft zum Beispiel die Ungleichstellung der Geschlechter, die rechtliche Ungleichheit von Muslimen und Nichtmuslimen, die massive Verletzung des Rechts auf freien Religionsaustritt, die Überhöhung der Theokratie gegenüber einer demokratischen Regierungsform, die Vorenthaltung des Rechts auf freie Partnerwahl, die Erklärung von Homosexuellen zu Freiwild u.v.m.

Wer diese – hier nur kurz andeutbaren – Fakten leugnet und als „Feindbild Islam“ verunglimpft, stellt sich damit nicht nur selbst in die Ecke des unverbesserlichen Ignoranten; er leitet damit auch Wasser auf die Mühlen jener Kräfte, die in Anknüpfung an diese unleugbaren Sachverhalte eine grundsätzlich fremdenfeindlich-nationalistische Gesellschaftsformierung anstreben. Darüber hinaus läuft diese hohle Propaganda vom „Feindbild Islam“ im Kern auf nichts anderes hinaus, als auf die Erzeugung eines eigenen Feindbildes, nämlich die irrationale Konstruktion des „Feindbildes Islamkritik“. Diese Phobie vor begründeter (logisch argumentierender und empirisch belegter) Islamkritik wirkt wie eine sich rasch ausbreitende Epidemie der Verdummung innerhalb der deutschen politischen Landschaft.

Wohin naseweis aufgemotzte Abwehr von begründeter Islamkritik führt, hatte exemplarisch ein islamophiler Journalist der Süddeutschen Zeitung demonstriert, der uns (Mina Ahadi, Ralph Giordano und mir) den Autoren Senocak als Alternative empfahl. Welch ein Eigentor! Denn was schreibt dieser Zafer Senocak:

„Auch wenn die meisten Muslime es nicht wahrhaben wollen, der Terror kommt aus dem Herzen des Islam, er kommt direkt aus dem Koran. Er richtet sich gegen alle, die nicht nach den Regeln des Koran leben und handeln, also gegen Demokraten, abendländisch inspirierte Denker und Wissenschaftler, gegen Agnostiker und Atheisten. Und er richtet sich vor allem gegen Frauen. Er ist Handwerk des männerbündischen Islam, der mit aller Macht verhindern möchte, dass Frauen gleichberechtigt werden und ihre Jahrhunderte lange Unterjochung ein Ende findet. Dem wahren Gesicht des Islam begegnet man nicht auf der deutschen Islamkonferenz. Man begegnet ihm in Ländern wie Pakistan. Dieser Islam hat einen Weltkrieg angefangen. Doch die Welt tut so, als wüsste sie immer noch nichts davon.“[2]

Dem ist in dieser Richtung nichts hinzuzufügen.

Was sind nun aber die Hauptursachen für den Auftrieb der „antiislamischen“ Rechtskräfte?

1) An erster Stelle ist hier der überwiegend verharmlosende, schönfärbende, Tabus setzende und zerredende Kommentar- und Diskussionsstil in den Medien anzuführen, der die übermittelte Nachrichtenlage desartikuliert und zum anderen den Alltagserfahrungen großer Bevölkerungsteile widerspricht. Immer wieder werden zwei Standardlegenden strapaziert: a) die falsche Entgegensetzung „Guter Islam/böser Islamismus“ und b) die absurde Behauptung, der Islam sei generell friedlich und tolerant. Zudem werden beständig ‚Islam’ und ‚Muslime’ durcheinander gebracht und auf diese Weise große Verwirrung gestiftet.

2) In engem Zusammenhang damit steht die parteiübergreifende proislamische Erfüllungspraxis der politischen Klasse, wie sie paradigmatisch im Kölner Moscheebaubeschluss oder aber auf der Islamkonferenz des Innenministers zum Ausdruck kommt. Auf der einen Seite gibt es eine zunehmende Verdichtung beim Vormarsch der islamischen Herrschaftskultur: Wort zum Freitag, islamische Gräberfelder, flächendeckender Islamunterricht, wachsender Moscheebau, das Begehren nach Kopftüchern im öffentlichen Dienst, selbstbewusste Verteidigung der mitgebrachten Kultur der Ehre, die Ehrenmörder moralisch freispricht etc. Andererseits ist fortschrittlich-demokratische Islamkritik im öffentlich-parteipolitischen Raum bislang nicht präsent. Das schafft Unmut und Besorgnis, die keine angemessene Repräsentanz findet (postdemokratische Verhältnisse).

3) Obendrein werden islamkritische Äußerungen ins politisch inkorrekte Abseits gerückt und per se als „fremdenfeindlich“, „islamophob“, „rassistisch“ verleumdet. Unter dem Vorwand „antifaschistischen“ Agierens werden faschistoide Diffamierungs- und Stigmatisierungsmethoden angewandt. Das verschärft den Unmut und fördert die Hinwendung zu populistischen „Protestparteien“. Da die Linken – übrigens bei absolutem Verrat der Marxschen Theorie – oftmals die schärfsten Islamverteidiger sind, schafft und bestärkt das zudem starke antilinke Grundstimmungen außerhalb des Hartz-IV-Lagers.

Es sind also die vorherrschende politische und mediale Verharmlosung des Islam sowie die Diffamierung von begründeter Islamkritik, die den Rechtskräften Auftrieb und Bewegungsspielraum verschaffen.

Den rechten Kräften um Pro-Köln, Pro-NRW etc. selbst geht es freilich gar nicht darum, die menschenrechtswidrigen, antidemokratischen und reaktionär-patriarchalischen Grundinhalte und Praktiken des Islam anzuprangern, sondern darum, Einwanderer aus der Türkei, dem Iran und arabischen Ländern, darunter zahlreiche islamgeschädigte Menschen und islamkritische Oppositionelle, pauschal als „Bedrohung“ zu stigmatisieren. Anti-Islam-Propaganda dient hier zum einen als demagogischer Rauchvorhang für nationalistische Verteidigung des deutschen Stammesbiets und zum anderen als schlichtes Mittel der populistischen Ausbeutung begründeter islamkritischer Stimmungen innerhalb der einheimischen Bevölkerung. Worum es den Rechten um  Pro Köln freilich wirklich geht, spricht einer ihrer Anführer klar aus: „Das überregionale Medieninteresse wird gewaltig sein – und mit dem Schub werden wir unmittelbar in den Vorwahlkampf für die Kommunalwahlen 2009 einsteigen“ (Schurian 2008)[3].

Im Verborgenen bleibt dabei die tiefe weltanschaulich-politische Wesensverwandtschaft zwischen einheimischen Rechtskräften und islamischer Orthodoxie auf den zentralen Gebieten:

– autoritärer Kollektivismus

– reaktionär-patriarchalische Familienmoral

– religiöse Werteerziehung

– Hass auf das aufgeklärte und emanzipierte Individuum sowie die freie Vergesellschaftung mündiger Bürger und nicht zuletzt

– Judenfeindschaft.

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein islampolitischer Grundsatzartikel in der „Jungen Freiheit“ vom 11.4.08, S. 22 (Alle folgenden Hervorhebungen von mir, H. K.):

„Der Gesellschaftsvertrag verleiht den Völkern des Abendlandes das moralische Recht, von neuen Mitbewohnern ein hohes Maß an kultureller Anpassung zu verlangen.

Scheinbar konsequent fordern prinzipientreue Konservative denn auch die Assimilation aller Zuwanderer. Obwohl ihre Motive löblich sind, verlieren sie die pluralistische Struktur postmoderner Gesellschaften aus dem Blick. Wo gibt es außerhalb Bayerns, Baden-Württembergs und Österreichs jenes stabile christlich-konservative Wertegerüst, jene allgegenwärtige traditionelle Leitkultur, die eine systematische Assimilation junger Muslime erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen würde?“

Die normative und wertmäßige Basis der Integration ist hier also nicht

  1. a) das Konzept des freien, vernunftbegabten, mündigen Individuums im Sinne des bürgerlich-revolutionären Aufklärungshumanismus,
  2. b) das Prinzip der Menschenrechte und
  3. c) das Leitmodell einer säkular-demokratischen und sozial gerechten Gesellschaftsordnung.

Die Basis dieses rechtskonservativ-autoritären Integrationsmodells ist vielmehr

  1. a) ein völkisch-abendländisches Konzept im Sinnes eines national-homogenen, hierarchisch gegliederten Kollektivs, in dessen angestammte Traditionskultur sich der Einzelne (und somit auch der Zuwanderer) gehorsam einzufügen hat,
  2. b) ein christlich-konservatives Wertegerüst – im Gegensatz zu einem islamisch-orthodoxen Wertegerüst – als konservativ-herrschaftskulturelles Gegen- bzw. Konkurrenzmodell, und
  3. c) eine traditionelle Leitkultur im Form einer deutsch-nationalen Ausprägung des christlich-abendländischen Wertegerüsts als Basis für eine „systematische Assimilation“ muslimischer Zuwanderer.

Die jungen Muslime sollen folglich nicht etwa Menschenrechtsbildung und interkulturelle Religionskunde statt Islamunterricht genießen, sondern zu nationalkonservativen deutschen Christen umerzogen werden. Sie sollen keine freien, selbstbestimmungsfähigen (mündigen) Bürger werden, sondern den Koran gegen die Bibel eintauschen, nicht freitags in die Moschee gehen, sondern – wie im katholischen Oberbayern und im ländlichen Österreich üblich – am Sonntag in die Kirche marschieren und sich an Prozessionsumzügen und Trachtenaufmärschen beteiligen und überhaupt die komplette konservativ-christlich-nationalistische Leitkultur verinnerlichen, wie sie in den genannten Gebieten angeblich noch „allgegenwärtig“ ist. Aus Koranschülern sollen Messdiener werden, aus „Grauen Wölfen“ stramme Burschenschaftler und deutsch-nationalistische Bannerträger etc.

Weiter heißt es in dem zitierten Artikel:

„Zwar kommt Hoffnung auf, wenn muslimische Frauen ihr Kopftuch ablegen … Aber gäbe es auch einen Grund zur Freude, wenn sie sich für Gender Mainstreaming, ‚ein Recht auf Abtreibung’ oder andere Dekadenzerscheinungen des Egalitärfeminismus begeistern würden? Und was bedeutet Assimilation für das Geschichtsbild junger Türken – eine trotz Aufarbeitung nationalsozialistischer Schandtaten ungebrochene Liebe zum neuen Vaterland oder manisches Beharren auf eine ‚immerwährenden (kollektiven) Verantwortung’, deren politischer Sinn auch darin liegen dürfte, durch die Hintertür abwegige Kollektivschuldtheorien zu etablieren? Wer von Immigranten Assimilation im Sinne völliger Anpassung fordert, muß ein ungeschminktes Bild von Staat und Gesellschaft zeichnen; und dieses wird zu einem maßgebenden Teil von Vulgärfeminismus, demokratiewidrigem Internationalismus, deutschallergischer Geschichtspolitikund leistungsfeindlicher Umverteilungsideologie bestimmt. Wo ‚Leitkultur’ sich in konsumierendem Freizeitverhalten, deutsch-englischen Sprachmixturen oder der Lektüre einiger Grundgesetzartikel erschöpft, wird Assimilation zur relativistischen Leerformel.“

Hierzu ist nun Folgendes festzustellen:

1) Die Dämonisierung des „Rechts auf Abtreibung“ ist – neben dem Affekt gegen die „Homoehe“ – ein wesentlicher Bestandteil der gemeinsamen „Wertebasis“ von orthodoxen Muslime, strengen Christen und deutschen/europäischen (patriarchalischen) Reaktionären, die auf dem Gebiet einer repressiv-scheinheiligen Sexual- und Sittenmoral immer schon ein informelles Bündnis bilden wie die Neonazis und die Islamisten auf dem Gebiet des eliminatorischen Judenhasses.

2) Sehr deutlich kommt im Zitat die geschichtsrevisionistische Ideologie der „neuen Rechten“ zum Ausdruck, die nicht mehr primitiv den Nationalsozialismus verherrlicht, sondern diesen zum zufälligen Betriebsunfall der Geschichte verklärt und damit seine herrschaftskulturelle Verankerung in der reaktionären deutschen Sozial- und Geistesgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (bis 1933) entsorgt. (Zum Beispiel: Jungkonservative Ideologen in der Weimarer Republik als geistige Wegbereiter der faschistischen Diktatur.) Nur so kann man eine durch und durch „ungebrochene Liebe“ zum deutschen „Vaterland“ inszenieren und die zwischen 1914 bis 1945 erfolgte Massendurchseuchung der deutschen Mehrheitsbevölkerung mit reaktionär-antihumanistischer Ideologie und die damit verbundene regressiv-barbarische Verhaltens- und Bewusstseinsformierung demagogisch als „abwegige Kollektivschuldtheorie“ in Abrede stellen oder als „deutschallergische Geschichtspolitik“ verunglimpfen.

3) Zu guter Letzt wird noch der vulgäre Stammtischnationalismus angerufen, indem die durch musikkulturelle und technologische Globalisierungsprozesse spontan erfolgende Aufnahme von englischen Ausdrücken gleich als ein Anzeichen von Leitkulturverfall beschworen und gleichzeitig konsumierendes Freizeitverhalten nicht kritisch-analytisch (als ein funktional-notwendiges Wesenmerkmal des überproduktiven Spätkapitalismus), sondern rückschrittlich-verfallspessimistisch – ganz im Stile des islamischen Kampfes gegen gottlosen Hedonismus und Materialismus – angeprangert wird. Völlig verkannt wird schließlich der zentrale Umstand, dass es integrationspolitisch natürlich nicht um die Lektüre einiger Grundgesetzartikel, aber auch nicht um die Assimilation der Zuwanderer an eine festgefügt-starre deutsch-konservative Massenkultur gehen kann, sondern um die Anforderung, den zugrunde liegenden aufkärungshumanistisch-emanzipatorischen „Geist“ der Grund- und Menschenrechte adäquat zu vermitteln und die Einhaltung der daraus hervorgehenden Normen eindeutig und kompromisslos einzufordern.

4) Aufschlussreich ist auch, dass der deutsche Staat und die deutsche Gegenwartsgesellschaft nicht etwa durch neoliberal-kapitalistische Deregulierung, Massenarbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Korruption, Wirtschaftsverbrechen und Steuerhinterziehung der ökonomischen Elite, wachsende Problemlösungsunfähigkeit der politischen Klasse, Kollaboration der westlichen Herrschaftselite mit den Trägern der nichtwestlichen Herrschaftskulturen, Bildungsverfall, Politik- und Staatsverdrossenheit der Bevölkerungsmehrheit etc. gekennzeichnet wird, sondern ausgerechnet durch Vulgärfeminismus und demokratiewidrigen Internationalismus (nach dem sozialchauvinistischen Motto: Warum sollen wir fremden Völkern Entwicklungshilfe gewähren?)

Genau so, wie wir uns vom Proislamismus der poststalinistischen und kulturrelativistischen Linken abgrenzen müssen (wenn wir als fortschrittlich-demokratisches Bündnis der Islamkritik Erfolg haben wollen), so müssen wir uns auch von jenen vordergründig islamkritischen Kräften abgrenzen, die „Islamkritik“ nur als trojanisches Pferd für die Verbreitung und Stabilisierung rechtskonservativer bis rechtsextremistischer Ideologeme und entsprechender regressiv-reaktionärer Orientierungs- und Bewertungsmuster benutzen.

Zwischen diesem rechten Assimilationskonzept und dem aufklärungshumanistisch-menschenrechtlichen Programm, wie es auf der KIK verabschiedet wurde, besteht folglich ein tiefer Graben, über den keine Brücke führt. Der Aufmarsch der rechten Anti-Islamkräfte schadet dem Anliegen der fortschrittlichen Islamkritik, denn er liefert der Front der Islamverteidiger das willkommene Alibi, um Islamkritik per se in die rechte Schmuddelecke zu stellen und sich öffentlichkeitswirksam in der eigenen proislamischen und damit angeblich „antirassistischen“ Gutmenschlichkeit zu sonnen. Nutznießer dieser Kollision rechter Anti-Islam-Propaganda und einseitig „antirassistisch“-proislamischer“ Gegenreaktion sind somit in jedem Fall die Vorreiter der islamischen Herrschaftskultur, also die Vertreter des zugewanderten muslimischen Rechtsextremismus.

Bei der Querfront von Moscheebaubefürwortern und Islamverteidigern, die nun gegen die Rechtspopulisten aufmarschiert, handelt es sich in vielen Fällen um Akteure, die ihrerseits Kritik an der islamischen Herrschaftskultur per se als „fremdenfeindlich“, „rassistisch“, „islamophob“ etc. diffamieren und sich zum Teil mit den Islamisten bis hin zu Ahmadinedschad, der Hamas und der Hisbollah verbrüdern. Für dieses Lager der „Schnittmengensucher“ ist der „Anti-Islamisierungs-Kongress“ ein gefundenes Fressen, um ihre als „Antirassismus“ getarnte islamophile Demagogie auf Hochglanz zu bringen. Sich den Aktionen und Demonstrationen dieser Kräfte undistanziert anzuschließen, wäre geistig-moralisch geradezu selbstmörderisch und politisch-strategisch absolut unverantwortlich.

Wer in diesem Lager als willfähriger Handlanger und Schönredner eingewanderter Repressionskulturen und deren totalitären Ideologien auftritt, gilt – in moralischer Ausbeutung einer noch nachwirkenden naiv-unkritischen Internationalismusideologie – als „fortschrittlich“, „aufgeschlossen“ bzw. als „toleranter Gutmensch“. Damit hat sich ein großer Teil der verbliebenen Linken von Marx’ kategorischem Imperativ verabschiedet, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Marx 1988. S. 385).

Der geistig-moralische Verfall der proislamischen Linken kommt insbesondere in folgenden ideologischen Erscheinungen zum Ausdruck:

1) In der Verformung des Rassismusbegriffs in eine ‚Diffamierungskeule’. Jede sachlich-inhaltlich begründete Kritik an reaktionären und repressiv-antiemanzipatorischen Verhaltens- und Denkweisen von Migranten, Muslimen, Ausländern, Nichtdeutschen etc. wird reflexartig unter den Generalverdacht des ‚Rassismus’ und der ‚Fremdenfeindlichkeit’ gestellt. Dabei handelt es sich nicht nur um einen ideologischen Abwehrmechanismus, sondern zugleich um eine Legitimation zur Gewaltanwendung. (Zum Beispiel wurden Teilnehmer auf dem Europäischen Sozialforum 2003 in Paris massiv beschimpft, tätlich angegriffen und von Ordnern ausgesperrt, als sie ein mehrsprachiges Flugblatt für das Existenzrecht Israels verteilen wollten. Gleichzeitig fungierte der Nadelstreifen-Islamist Tariq Ramadan auf diesem Forum als Starredner. Mit der Rassismuskeule in der Hand entarten hier offensichtlich Teile der ‚Straßenlinken’ und ihre Schreibtischtäter zu politisch-ideologischen Bodyguards der Islamisten und ihrer antijüdischen Hetze.)

2) In der  Stilisierung des Islamismus und anderer antiwestlich-reaktionärer Bewegungen/Regime zu Bündnispartnern im „antiimperialistischen Kampf“. Nach der einfältigen Logik „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ wird der aus einem prämodern-religiösen Herrschaftsinteresse artikulierte Hass auf den Westen als „antiimperialistischer Protest“ missdeutet, ohne die ihm zugrunde liegende fortschrittsfeindlich-repressive Zielsetzung zu berücksichtigen. Ein Beispiel hierfür ist die distanzlose Kumpanei poststalinistischer Kommunisten mit dem despotischen Regime des Hitler- und Stalinschülers Saddam Hussein sowie die aktuelle Schönfärbung der im Irak agierenden Terrorbrigaden zu „Widerstandskämpfern“. Was sind das für „Widerstandskämpfer“, die hauptsächlich unzählige friedliche Landsleute umbringen, den Wiederaufbau des Landes zerbomben und durch ihre blutigen Aktionen die amerikanisch-englische Besatzung verlängern helfen? Dort, wo diese „Widerstandskämpfer“ die Kontrolle übernommen haben, wurde umgehend eine schariatische Schreckensherrschaft nach dem Vorbild der Taliban eingeführt.

3) Die Eliminierung humanistisch-aufklärerischer Bewertungsmaßstäbe im Sinne eines ‚postmodernen’ Kulturrelativismus. Das Kernmerkmal des Kulturrelativismus ist ein dogmatisches Denk- und Reflexionsverbot: Fremde Kulturen sind in ihrer und wegen ihrer ‚Andersheit’ tabu. Deshalb dürfen sie nicht herrschaftskritisch analysiert und bewertet werden. An sie darf nie ein „äußerer“ Maßstab in Form verallgemeinernder Begriffe und emanzipatorischer Werte herangetragen werden, denn ein solches Herangehen würde ihre ‚Identität’ und ‚Integrität’ verletzen. Angemessen und „korrekt“ ist nur ein „hermeneutisches Heranlauschen“ an die Fremdkultur unter möglichst weitgehender Verdrängung des erworbenen eigenen Urteilsvermögens. Mit dieser Fetischisierung von ‚Andersheit’ und ‚Differenz’ wird eine hermetische Apologetik konstruiert, die den Herrschaftsinteressen und Täuschungsabsichten reaktionärer ‚Fremdkulturen’ unmittelbar in die Hände spielt und gleichzeitig die dafür notwendige subjektive Selbstaufgabe normativ vorgibt. Eine Ideologie der prototalitären Kumpanei und Selbstkasteiung/Selbstzerstörung in Reinkultur! Drastisch, aber treffend hat Tibi (1999, S. 165) diesen postmodernen Rückfall hinter die Errungenschaften der kulturellen Moderne charakterisiert: „Wenn im islamischen Sudan Frauen durch Beschneidung ihrer Klitoris in ihrer Sexualität entmündigt werden, dann ist das für Kulturrelativisten keine Verletzung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit, sondern schlicht ein Ausdruck anderer Sitten, vergleichbar der inhumanen Verschleierung der Frauen.“

Die Verdorbenheit der „antirassistischen“ Demonstrationstouristen und Polithooligans kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass sich Teile von ihnen als Nazis verkleidet unter Moscheebaugegner mischen, sich dabei selbst fotografieren und diese erschwindelte Szene dann als triumphalistischen Beweis für den generellen Rassismus und Faschismus von Moscheebaugegnern hochhalten.

Angesichts dieser Konfrontation rechtradikaler Fremdenfeinde und „antirassistischer“ Islamverteidiger ist das Eingreifen einer dritten fortschrittlich-demokratischen Kraft erforderlich, die sich sowohl gegen den deutschen und europäischen Rechtsextremismus als auch gegen den zugewanderten islamischen Rechtsextremismus (orthodox-islamischer Traditionalismus, Islamismus, türkischer Nationalismus/Graue Wölfe) richtet. Es gilt folglich, sich einerseits entschieden gegen jede Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu wenden, andererseits aber auch alle Formen reaktionär-religiöser Herrschaft zu kritisieren. Das schließt insbesondere die islamische Herrschaftskultur ein. Deshalb ist es auch notwendig den vorgeblich „antirassistischen“ Islamverteidigern die Stirn zu bieten.

Unterlässt man diese gleichgewichtige Abgrenzung, dann leistet man objektiv Schützenhilfe für die reaktionären Akteure der islamischen Herrschaftskultur. Die Abgesandten Erdogans, Milli Görüs und die Grauen Wölfe werden sich auch diesmal ins Fäustchen lachen, wenn die deutschen „Blockierer“ einseitig und voller Vehemenz gegen Pro-Köln und Co. demonstrieren, aber immer dann – wie zum Beispiel anlässlich des Auftritts von Erdogan und seiner reaktionären Anhängerschar – auf politisch-ideologische Tauchstation gehen, wenn gegen Islamisten, Ehrenmörder, Zwangsverheirater, Karikaturenschänder, muslimische Mordhetzer und Judenhasser etc. aufzumarschieren wäre. In Kölner Schulen, wo man bereits vor zwei Jahren einen Vormarsch der türkischen nationalistisch-islamistischen Rechten beobachtet hatte, wurden Lehrkräfte bereits von antideutschen Muslimkids, die zuvor auf Gehirnwäscheseminaren der Grauen Wölfe entsprechend abgerichtet worden waren, als Kommunisten und PKK-Sympathisanten denunziert, weil sie sich geweigert hatten, die türkische Nationalhymne zu Beginn des Unterrichts zu singen oder mit den Schülern einen Eid auf die Türkei zu sprechen. Es gäbe also genügend Anlass, mit gleichem Aufwand wie gegen Pro-Köln auch gegen den immigrierten türkischen Rechtsextremismus anzutreten. Doch als Selbstbehinderung wirkt hier ganz offensichtlich eine eigentümliche Mischung aus ideologischer Verblendung, Feigheit und politischem Opportunismus.[4]

Alle fortschrittlichen einheimischen und zugewanderten Menschen sind deshalb aufgerufen: Schließen Sie sich der dritten Kraft gegen fremdenfeindlichen Rechtspopulismus und verlogene Islamverteidigung an! Bilden wir ein fortschrittlich-menschenrechtliches Bündnis der Islamkritik! Kämpfen wir gemeinsam gegen die einheimischen und zugewanderten Rechtskräfte! Für eine freie, gerechte und solidarische Gesellschaft, in der Menschenrechtsverletzungen von keiner Seite geduldet und verharmlost werden!

Osnabrück, September 2008

 

[1] Überarbeiteter und ergänzter Text meiner Rede auf der Sonderveranstaltung der Kritischen Islamkonferenz in Köln, Jugendherberge Riehl, am 12. September 2008.

[2]http://www.welt.de/politik/article1500196/Der_Terror_kommt_aus_dem_Herzen_des_Islam.html

[3] http://www.djv-koeln.de/journal-nrw/seiten/thema.htm

[4] Vgl. hierzu den Artikel „Graue Wölfe agitieren an Kölner Schulen“ im Kölner Stadtanzeiger vom 30.03. 2006.

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