Egon Flaig: Weltgeschichte der Sklaverei

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233 Seiten mit 5 Karten, 5 Tabellen und 4 Abbildungen. 12,95 €.Verlag C.H. Beck, München 2009. beck’sche reihe 1884. ISBN 978-3-406-58450-3.

‚Sklaverei’ bezeichnet als Zustand absoluter Unfreiheit, Rechtlosigkeit und tendenzieller Entmenschlichung der ihr Unterworfenen die intensivste Form zwischenmenschlicher Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse. Damit ist sie wesentlicher Teilaspekt einer allgemeinen Theorie gesellschaftlicher Herrschaft und gehört demnach mit ins Zentrum einer kritisch-emanzipatorischen Gesellschaftswissenschaft[1]. Dabei ist die Sklaverei keinesfalls ein rein historischer Erkenntnisgegenstand, der lediglich eine bestimmte, längst vergangene Epoche der Menschheitsgeschichte kennzeichnet, sondern stellt sehr wohl auch ein aktuelles sozialpathologisches Phänomen dar, wie Pino Arlacchi (2000) und Kevin Bales (2001) aufgezeigt haben. Grund genug also, Egon Flaigs nun vorgelegten Abriss etwas genauer zu rekapitulieren.

Schon in der Einleitung seiner prägnanten und erhellenden „Weltgeschichte der Sklaverei“, verweist der Autor, Lehrstuhlinhaber für Alte Geschichte an der Universität Rostock, auf folgende Tatbestände:

1) Als mehrere Jahrtausende andauerndes Sozialverhältnis ist Sklaverei eine ‚übergreifende’ Erscheinung in allen Hochkulturen, einschließlich vorstaatlicher Gesellschaften.

2) Nur einem Teil der Menschheit, gestützt auf das westliche Konzept der Menschenrechte, ist es gelungen, die Sklaverei in weiten Teil der Welt zu besiegen „und damit den tiefsten Bruch in der Weltgeschichte herbeizuführen“ (S. 11).

3) Ganz entgegen eurozentristischen Standardmythen „war die antike Sklaverei unter quantitativen Gesichtspunkten nicht herausragend. Die islamische war die umfangreichste der Geschichte; die transatlantische ist bedeutsam, weil sie von Anfang an bekämpft wurde und weil ihre politische und teilweise gewaltsame Abschaffung der Hebel war, um die Sklaverei weltweit zu besiegen“ (ebenda).

Wer mit solchen Thesen an den ideologischen Grundmythen des halb- bzw. pseudolinken Mainstreams rüttelt, wie er sich sowohl im universitären Bereich der politikabhängigen Auftragsforschung als auch im subtil konformisierten Feuilleton tummelt, muss natürlich darauf gefasst sein, dass er damit die diversen Klischeewächter insbesondere kulturrelativistischer und islamophiler Provinienz auf den Plan ruft.

Im ersten Kapitel „Politische Anthropologie der Sklaverei“ arbeitet Flaig zunächst den Unterschied der Sklaverei gegenüber anderen Formen radikaler Unfreiheit wie der totalitären Beherrschung und bestialischen Ausbeutung im stalinistischen Gulag sowie in den Konzentrationslagern der Nazis heraus. Trotz des enormen barbarischen Gewalteinsatzes blieb bei diesen extremen Unterdrückungsformen die private Verfügung über die Gefangenen minimal. Ebenso war es völlig ausgeschlossen, die Opfer als privatrechtlich garantiertes Eigentum zu nutzen und wie eine Ware zu behandeln. Gegenüber den aktuellen, weltweit zunehmenden Formen persönlicher Unfreiheit wie Vertragsknechtschaft, Schuldknechtschaft, Kinderverkauf/Kinderarbeit und erzwungene Prostitution, die illegal und inoffiziell existieren und bei Bekanntwerden staatliches Eingreifen provozieren, ist die Sklaverei eine legale, öffentlich anerkannte Institution.

Einen wesentlichen Teilaspekt der Sklaverei bilden die Modi des Versklavens, sei es durch gewaltsame Aktionen wie Krieg oder räuberische Überfälle, durch Tributzahlungen in Form von Menschen oder Entführungen; als rechtliche Versklavung infolge einer Kriminalstrafe oder einer auferlegten Schuldentilgung; als familiale Überlebensstrategie via Kinderaussetzung, Kinderverkauf oder freiwilligem Selbstverkauf oder infolge biologischer Abstammung: geborener Sklave als Kind von Sklaven-Eltern.

„Intrusiv ist eine Sklaverei, wenn die Sklaven überwiegend als Fremde in die sklavistische Gesellschaft importiert werden. Extrusiv ist sie, wenn Sklaven überwiegend aus der eigenen Gesellschaft stammen“ (S. 17). Waren die antike, die islamische und die transatlantische Sklaverei – auf die sich Flaig in seiner Abhandlung beschränkt – überwiegend intrusiv, so sind die chinesische Sklaverei der Han-Zeit, die mittelalterliche und frühneuzeitliche koreanische Sklaverei sowie die russische Sklaverei des 17. und 18. Jhs. Beispiele für die verbreitetere und historisch dauerhaftere Form der extrusiven Sklaverei. Allerdings blieben in Russland und China die Sklaven überwiegend „Staatssklaven“ und wurden nicht wie eine Ware gehandelt („Kaufsklaverei“).

Recht eingehend behandelt der Autor die subjektive Betroffenheitsdimension der unter das Sklavenjoch gefallenen Menschen und führt in diesem Kontext vier Grundmerkmale versklavungstypischer Dehumanisierung und Entsubjektivierung an:

1) Entsozialisierung infolge des „Heraussreißens“ des Betroffenen aus seiner vertrauten sozialisatorisch wirksamen Lebensumwelt mit ihren emotionalen Bindungen und affektiven Besetzungen.

2) Entpersönlichung durch Verwandlung der versklavten Person in ein käufliches und vollständig fremdbestimmtes Waren-Ding, das willkürliche Strafen wie ein Tier erleiden muss.

3) Entsexualisierung vermittels der Verwandlung insbesondere der versklavten Frauen in reine Arbeitswerkzeuge bei gleichzeitiger Stillegung ihrer Mutterfunktion: (Es sei denn, die Herren wollten gezielt Sklaven züchten.)

4) Entzivilisierung per Verwandlung des Individuums in ein verwandtschaftsloses atomisiertes Etwas ohne sozialen und menschlichen Status.

Infolge dieser absoluten Entwürdigung büßen die Unterworfenen jedwede Selbstachtung ein und verinnerlichen ihren entmenschlichten Status in Form eines extremen „Minderwertigkeitskomplexes“, so dass sie die ihnen von außen entgegengebrachte Verachtung, weil offenkundig von minderwertiger Natur zu sein, im Sinne einer sich selbst bestätigenden Prophezeiung auf der Verhaltensoberfläche verifizieren. Dieses verinnerlichte Minderwertigkeitsgefühl und das damit korrespondierende Fehlen von Selbstachtung ist auch ein wesentlicher Grund für das weitgehende Ausbleiben von Sklavenaufständen.

Flaig macht auch darauf aufmerksam, dass selbst bei der Ausübung „höherer Tätigkeiten“ im Auftrag des Herrn der Sklave dennoch stets das Objekt völliger Abhängigkeit und absoluter Willkür bleibt: Eine Laune des Herrn reduziert ihn zum Nichts; „darum ist der Sklave tatsächlich ‚sozial tot’, obwohl ihm gelegentlich sogar herrschaftliche Aufgaben anvertraut werden“ (S. 21). Damit erweist sich die absolute Abhängigkeit von der Willkür des Herrn als Kernmerkmal des Sklavendaseins (Statusinkonsistenz).

Gesellschaftstheoretisch bedeutsam ist die Unterscheidung zwischen einer sklavistischen Produktionsweise und einer bloß sklavistischen Gesellschaft. Im ersten Fall ist der Einsatz eines großen Teils von Sklaven im gewinnträchtigsten Produktionszweig für die ökonomische Reproduktion unabdingbar. „Das war der Fall im Nordosten Brasiliens, in der Karibik und in den Südsaaten der USA, nicht aber in der griechischen und römischen Antike. Um eine sklavistische Gesellschaft zu konstituieren, reicht ein Sklavenanteil von 15 % der Bevölkerung; bereits dann ist die Sklaverei omnipräsent und durchdringt alle Lebensbereiche. Im amerikanischen Süden vor dem Bürgerkrieg waren es etwa 33%; im Athen der klassischen Zeit dürfte diese hohe Quote kaum je erreicht worden sein“ (S.26).

In diesem Zusammenhang vertritt Flaig gegen Meillassoux die Auffassung, dass die Gewährung des Lebens in Pseudo-Familien sowie die Aussicht auf Freilassung ein Ansporn für den Sklaven war, seine Arbeitsleistung zu verbessern und damit die Ausbeutungsrate des Herrn zu steigern. Die häufig vertretene Auffassung, dass Sklaverei grundsätzlich ökonomisch unrentabel sei, ist in modernen Untersuchungen widerlegt worden.

In dem Maße, wie sklavistische Gesellschaften zwecks Aufrechterhaltung ihres Systems auf die permanente Zufuhr von Sklaven von außerhalb angewiesen sind, also ein intrusiver Typ von Sklaverei vorliegt, bleiben zwei Wege der Rekrutierung: Entweder Erbeutung von Sklaven durch Razzien bzw. Kriege, was den beständigen Unterhalt von eigenen ‚Fangapparaten’ erforderlich macht, oder Kauf von Sklaven, wobei man die jeweiligen Fang- und Deportationskosten bezahlt. Damit erzeugt das System der instrusiven Sklaverei als ‚Metropole’ eine geopolitische Umwelt von Lieferzonen versklavter Menschen, die als ‚Peripherie’ fungieren und in denen eine erweiterte Reproduktion von multistrategischen Versklavungsprozessen stattfindet. Wichtig ist, dass die intrusive Metropole ihre (militärische) Überlegenheit in eine dauerhafte politische Überordnung transformiert, um so „Tributleistungen in Form von Sklaven zu verlangen. Islamische Emirate und Sultanate praktizierten diesen Brauch in großem Stil“ (S. 29). Damit wird eine regressive ‚sozialdarwinistische’ Selbstzerstörungsspirale in der Lieferzone in Gang gesetzt, indem tributpflichtige Stämme ihrerseits von schwächeren Nachbarstämmen die abverlangte Sklavenzahl erbeuten: die jeweils stärkeren Stämme werden zu Sklavenjägern, die unterliegenden Völker zu permanenten Opfern von Razzien. Auf diese Weise entsteht und reproduziert sich eine antagonistische Entwicklungsdynamik zwischen „blühender“ Metropole und degenerativer Peripherie. Somit „zwingen sklavistische Gesellschaften des intrusiven Typs ihren Nachbarn eine Unterentwicklung auf. Unterentwicklung im Sinne einer Peripherie-Metropolen-Struktur gibt es nicht erst mit dem kapitalistischen Weltmarkt. Sondern sie entsteht mit einem System, das eine ständige Zufuhr von Menschen benötigt“ (S.32).

Vor diesem kategorialen Hintergrund beleuchtet Flaig im Folgenden die drei intrusiven Formen der antiken, islamischen und transatlantischen Sklaverei.

Im zweiten Kapitel „Sklaverei in antiken Gesellschaften“ skizziert der Autor zunächst die weniger bekannten Formen der archaischen Sklaverei vor der klassischen Antike (im Orient, im pharaonischen Ägypten und im Judentum), um dann einen Überblick über die weithin bekanntere Sklaverei im alten Griechenland sowie in Rom zu geben. Auch die Sklavenaufstände im römischen Herrschaftsgebiet werden kurz abgehandelt. Angesprochen werden sollen hier aber nur die antiken (Legitimations-)Diskurse zur Sklaverei: Während im Judentum in Anlehnung an Noahs Fluch über seinen Enkel Kanaan die Sklaverei als biblisch bzw. göttlich verordnetes Schicksal bestimmter Völker angesehen wird, findet sich bei den Griechen eine Pluralität von Begründungen, die sich auf die Kategorien ‚Schicksal’, ‚natürliche Minderwertigkeit’ und ‚Ungerechtigkeit’ reduzieren lassen. Während Homer die Sklaven als Menschen ansieht, die durch ein widriges Schicksal in diese Lebenslage geraten sind, in der sie dann charakterlich geschädigt und somit sekundär „minderwertig“ werden, halten Platon und Aristoteles die Sklaven für „von Natur aus“ minderwertig. So sieht Aristoteles den Unterschied zwischen dem Freien und dem Sklaven darin begründet, dass Letzterem die planende Vernunft fehle. Zudem konstruiert er die Herren aus klimatheoretischen Gegebenheiten, wobei die Griechen – im Vergleich zu den Nordeuropäern (mutig, aber behaftet mit einem Mangel an Intelligenz und Kunstfertigkeit) und den Asiaten (intelligent und kunstfertig, aber mutlos und deshalb zu Untertänigkeit und potentiellem Sklavensein verdammt) – „ethnopatriotisch“ am besten abschneiden: Das griechische Volk „ist mutig und intelligent. So ist es frei, hat die beste Staatsverfassung und die Fähigkeit, über alle zu herrschen“ (S. 74). Zu Beginn des 4 Jhs. v. Chr. wird dann die Ansicht verbreitet, dass die Sklaverei wider die Natur und die Gerechtigkeit sei. Zum Beispiel entwarf Zenon, der Gründer der stoischen Philosophie, einen Weltstaat ohne Sklaverei. Die Stoa griff zum Mittel der Entwichtigung der Skaverei als „Ersatz“ für konkrete Bekämpfung und lehrte, „alle Menschen seien unterschiedlichsten Zwängen unterworfen, deshalb sei die Sklaverei eine zufällige Lebenslage, welche den Charakter und Wert eines Menschen überhaupt nicht beeinträchtige; denn sie bleibe der menschlichen Seele völlig äußerlich“ (S. 76). Sämtliche römischen Denker, so Flaig, lehnten das aristotelische Konzept des Sklaven von Natur ab, und die Juristen schufen stattdessen die Unterscheidung zwischen ‚natürlichem Recht’ (ius naturale), nach welchem die Menschen frei und gleich seien und dem allgemeinem Recht der Völker (ius genitum), in welchem wiederum die Sklaverei als Institution sanktioniert ist. Obwohl wider der Natur, ist die Sklaverei damit in eigentümlicher Weise dennoch legitimiert.

Im frühen Christentum finden sich sowohl Stimmen, die sich gegen die Sklaverei als Übel wenden, als auch Positionen, die in ihr eine göttliche Vorherbestimmung sehen. „Fast die gesamte Patristik nahm an, die Menschen seien von Natur aus frei, die Sklaverei allerdings eine Folge der Sünde“ (S. 80). Abolitionistische Minderheiten, die bereits im frühen Christentum vorhanden waren, wurden von den Kirchenoberen bekämpft und die westliche Patristik rechtfertigte weit überwiegend die Sklaverei, wobei diese von Augustinus als Folge des Sündenfalls dogmatisiert wurde.

Das dritte Kapitel „Ein interkontinentales sklavistisches System. Die islamische Welt“ markiert einen Tabubruch bzw. einen Verstoß gegen die herrschenden Regeln politisch korrekter Realitätsausblendung. Flaig arbeitet nämlich in diesem Kapitel Grundzüge der islamischen Sklaverei heraus, ohne die der mittelalterlich-vorkapitalistische Imperialismus des Islam gar nicht hätte existieren können. Damit spricht er einen historischen Wirklichkeitsbereich an, der a) in der deutschen curricularen Bildungslandschaft so gut wie gar nicht vorkommt, aber b) dafür durchaus von prägendem Einfluss für das „Selbstbewusstsein“ heutiger orthodoxer Muslime ist[2].

Entgegen der seit dem 19. Jahrhundert einsetzenden Beschönigung und Romantisierung der islamischen Sklaverei, benennt und begründet Flaig folgende Charakteristika der islamischen Sklaverei:

1) Infolge der expansiven Eroberungswellen der imperialen Herrschaftskultur des Islam wurden mehr Sklavenmengen erbeutet als zur Zeit der römischen Expansion. Als zum Beispiel „die Muslime Spanien unterwarfen, versklavten sie 150.000 Menschen“ (S. 84). Als bleibende Eigenart hebt Flaig den Umstand hervor, wie die islamische intrusive Sklaverei sich auf doppelte Weise riesige Sklavenmengen beschaffte: Zum einen durch Erbeutung im Rahmen der vielfältigen Eroberungsdjihads und zum anderen durch die Möglichkeit, auf der Grundlage riesiger Reichtümer große Sklavenmassen zu kaufen. Letzteres hatte zur Folge, „dass die islamische Kultur als sklavenimportierende ‚Metropole’ in der Peripherie die Versklavungsprozesse so anheizte, wie es bis dahin in der Weltgeschichte noch nie geschehen war. Die Sogwirkung dieser Importe reichte in Europa bis zu den Wikingern und zu den Ungarn, in Russland bis zur mittleren Wolga und tief nach Kasachstan bis über Turkmenistan hinaus“ (S. 85).

2) Als erstes weltwirtschaftliches System und gleichzeitig größtes sklavistisches System der Weltgeschichte benötigte das islamische Herrschaftsgebiet folglich einen enormen Zustrom von Sklaven, der aus folgenden Hauptlieferzonen schöpfte: „1. der Südrand Europas und das byzantinische Anatolien, 2. der mehrere tausend Kilometer lange Gürtel entlang der Graslandsteppe vom slawischen Mittelosteuropa über Russland bis hinein nach Zentralasien, 3. Indien, 4. Schwarzafrika“ (S. 87). Als Versklaver schlechthin eigneten sich die nomadischen Steppenreiter. Von daher war die Konversion der Türken und Tataren zum Islam von Bedeutung, denn nun konnten deren traditionelle Razzien djihadisiert, d. h. gezielt gegen nichtmuslimische „Opferzonen“ gerichtet werden. „Hätten sich die beiden karolingischen Nachfolgereiche und das englische Königtum nicht im 10. Jh. stabilisiert, dann hätte das westliche Europa das Schicksal Afrikas und der russischen Steppe erlitten“ (ebenda). Allein die Krimtataren versklavten von 1468 bis 1694 etwa 1,75 Millionen Ukrainer, Polen und Russen.

3) Da das islamische Herrschaftssystem als göttlich legitimierte Ordnung weder die Partizipation von Bürgern noch die Existenz von Kontrollorganen der Herrschaft kennt, rekrutierte der nach despotischer Allmacht strebende Herrscher (Kalif, Sultan) willfährige Stäbe aus Sklaven (Militärsklaven, Eunuchen), um somit dem Druck der Stämme und Clans zu entgehen und sich vor möglichen Sturzversuchen von Stammesaristokraten zu schützen. In diesen Kontext gehört auch der gewaltsame Raub und die Zwangsislamisierung christlicher Kinder, aus deren Reihen die fähigsten rekrutiert und zu fanatischen Elitekämpfern der osmanischen Dynastie abgerichtet wurden, die sog. Janitscharen, ein Korps von 30.000 bis 60.000 Militärsklaven. „Die islamische politische Kultur erzeugte somit einen Staatstyp, in dem alle Bestimmungen von Staatlichkeit – nämlich dass Menschen sich politisch organisieren – auf radikalste Weise pervertiert waren. Nach Meillassoux erreichte dieser Staatstyp das äußerste Stadium der Sklaverei und trieb ihre Logik auf die Spitze: Sklaven fungierten als Rädchen im Getriebe einer militärischen Maschine, welche jegliche Chance auf politische Selbstbestimmung- von Städten oder Gemeinden – zunichte machte“ (S. 97).

4) Die Sklaverei ist integraler Bestandteil des koranischen und schariatischen Normensystems des Islam und zugleich fest eingefügt in die ihn kennzeichnende religiös abgeleitete Ungleichheitsstruktur zwischen Muslimen und Nichtmuslimen. So gilt der Unglaube, d. h. die Nichtunterwerfung bzw. vorgefundene Nichtunterworfenheit unter den Islam als wesentlicher Legitimationsgrund der Versklavung. Entsprechend besagt der juristische Grundkonsens der Muslime, dass zu versklaven ist, wer als Ungläubiger in einem Djihad in Gefangenschaft gerät. Falls die Sklaven eines christlichen Herrn zum Islam konvertierten, musste ihr Herr sie an einen Moslem verkaufen. Nur muslimische Sklaven konnten nach einer Empfehlung des Propheten Mohammeds freigelassen werden, ohne allerdings das Stigma der Sklaverei wirklich überwinden zu können. Erhellend ist in diesem Kontext auch die konkrete Praxis von Schariagerichten: „noch im 18. Jh. erklärte ein Fürst der Futa Jallon einem europäischen Sklavenhändler, dass die Gerichtshöfe alles taten, um schuldigen Muslimen die Sklaverei zu ersparen, wohingegen sie möglichst viele Ungläubige zur Sklaverei verurteilten“ (S. 108).

Das Schicksal der Sklaverei unter dem Diktat des Islam ist also noch einmal nachhaltig nach religiösen Zugehörigkeitskriterien hierarchisch überformt.

Im vierten Kapitel: „Wie entstand der Hautfarben-Rassismus?“ verweist der Autor zunächst auf die kulturübergreifend feststellbare Tendenz, die „Anderen“ abzuwerten. Diese Tendenz schlägt dann in ‚Rassismus’ um, wenn man den „Anderen“ eine natürliche, in ihrem „Wesen“ liegende Minderwertigkeit als irreversibles Eigenschaftsmerkmal unterstellt. Da nun die Sklaverei eine extreme, nicht kompensierbare zwischenmenschliche Ungleichheit erzeugt, entsteht aus ihr „unweigerlich die Vorstellung, die anderen seien absolut minderwertige Wesen, quasi einer anderen Gattung zugehörig“ (S. 124). Dabei müssen die rassistisch abgewerteten „Andern“ nicht unbedingt Angehörige einer anderen Ethnie sein, sondern können auch der eigenen „Volksgruppe“ angehören, wenn sie sich – wie Sklaven – in einem aufgezwungenen Zustand sich fortlaufend reproduzierender Ungleichstellung befinden. Flaig führt in diesem Zusammenhang die protestierende Aussage des koreanischen Königs Chungnyol an, der sich in klassisch „rechtsreaktionärer“ Weise gegen die Willensbekundung des chinesischen Kaisers Kno-li Chi-su wendet, das System der Sklaverei zu reformieren (um 1300):

„Unsere Ahnen haben uns gelehrt, dass diese sklavischen Wesen einer anderen Rasse angehören, und es ihnen daher unmöglich ist, normale Menschen zu werden. Der Lehre unserer Vorfahren zuwiderzuhandeln hieße, unsere soziale Ordnung zu gefährden“ (ebenda).

In der Antike finden sich, wie bei Aristoteles, zwar Diskurse, in denen „klimatheoretisch“ abgeleitete zwischenethnische Wesensunterschiede konstruiert werden, aber kein „Hautfarben-Rassismus“. Erst später fanden diese antiken klimatheoretischen Lehren Eingang in den Begründungsdiskurs eines islamischen Rassismus der Hautfarbe durch muslimische Theoretiker der Sklaverei. Den realen Referenzrahmen für diesen islamischen Rassismus der Hautfarbe bildete der historische Tatbestand, dass arabische Seefahrer schon seit Jahrhunderten der vorislamischen Zeit schwarze Sklaven entlang der ostafrikanischen Küste transportierten, um die großen persischen Zuckerplantagen zu beliefern. Die (selektive) Rezeption der hellenistischen Kultur infolge der islamischen Eroberungen brachte es dann mit sich, dass islamische Theoretiker nun in Anknüpfung an die besagten Klimatheorien eine rassistische Begründungslehre der islamischen Sklaverei ausarbeiteten. Dabei wies der islamische Rassismus ‚passfömig’ eine dreiteilige Struktur auf: „Zwei minderwertige Rassen (Schwarz und Weiß), beheimatet in den extremen Klimazonen, stehen einer hochwertigen (Rot und Hellbraun) in der ‚mittleren’ Zone gegenüber. Demgemäß gelten auch Türken, Slawen und Chinesen als minderwertige Rassen“ (S. 129). Diese dreigliedrige hierarchische Rassenlehre findet sich auch bei den ‚Vorzeigehelden’ des westlichen Orientalistik wie Avicenna, al-Andalusi, dem jüdischen Philosophen Maimonides und Ibn Khaldun. So äußerte sich der Letztgenannte folgendermaßen über das Untermenschentum der Schwarzen:

„Daher sind in der Regel die schwarzen Völker der Sklaverei unterwürfig, denn (sie) haben wenig Menschliches und haben Eigenschaften, die ganz ähnlich denen von stummen Tieren sind, wie wir festgestellt haben“ (S. 129).

Gestützt auf diese Kaliber brachte die islamische Welt als einzige sklavistische Gesellschaft Handbücher für Sklavenkauf hervor und trug damit erheblich zum Aufbau und zur Verfestigung alltagsrassistische Vorurteilsmuster bei. „Erst fünf Jahrhunderte später gelangt dieser klimatheoretisch begründete, ‚szientistische’ Hautfarbenrassismus zu den Europäern; seine Elemente bleiben zunächst arabisch, das auf die vielen Übersetzungen und vor allem den Einfluss von Avicennas medinzinische Schriften zurückzuführen ist“ (S. 131).

Im Folgenden legt Flaig dar, wie der biblische Fluch Noahs über seinen Enkel Kanaan, als monotheistisches Rechtfertigungsdispositiv sowohl in jüdische als auch in islamische und christliche Legitimationsdiskurse der Sklaverei Einzug gehalten hat. Abschließend wird dann der Sachverhalt behandelt, dass die islamische Welt die erste Gesellschaft in der Weltgeschichte war, in der es immer wieder zu gewaltsamen rassischen Konfrontationen kam, wobei insbesondere die Aufstellung ethnisch homogener Einheiten von Militärsklaven eine wesentliche Rolle spielte.

Im fünften Kapitel „Schwarzafrika. Selbstzerstörung einer Lieferzone“ wird die erweiterte Reproduktion der islamischen Massensklaverei in der Produktion (Plantagenwirtschaft; Bewässerung; Feldarbeit; Gold-, Kupfer- und Salzminen) beleuchtet, wobei Schwarzafrika die Rolle als intensiv genutzte Beute- bzw. Lieferzone einnahm. Eine wichtige Prämisse bildete die Züchtung großer Pferderassen im Sudan, die dadurch ermöglichte rasche Vermehrung der Pferdebestände, die „Verreiterung“ nomadischer Stämme und deren Funktion als Akteure von Sklavenrazzien. „Mit der Zunahme der Pferde wurden im 15. Jh. die jährlichen Jagdzüge der Sultane in ‚Sklavengebiete’ länger und großräumiger“ (S. 142). Auf diese Weise wurde die bereits angesprochene Selbstzerstörungsspirale in Gang gesetzt, die zu wechselseitigen Sklavenjagden zwischen den Stämmen führte. In diesem Kontext kam es zum einen zur Verschiebung der Zwecke des Djihad zugunsten der Rekrutierung von Sklaven (statt Zwang zur Konversion) und zum anderen zur Brechung der islamischen Versklavungsregeln, d. h. zur Versklavung von Muslimen. „Der heutige Dafur-Konflikt ist bloß eine der tausendfachen Wiederholungen jenes Gegensatzes zwischen nomadischen Reitern und dem Kulturland“ (S. 144f.). Vor diesem Hintergrund weist Flaig auf die damit verbundenen Dezivilisierungstendenzen hin. „Die subsaharischen Jagden waren häufig Genozide im strengsten Sinne, da von vielen Ethnien buchstäblich niemand mehr übrig blieb. Wer von den Gefangenen nicht zum Sklaven taugte, wie Greise und Kranke, wurde niedergemetzelt“ (S. 145). Insgesamt hält der Autor als Resultat fest, dass mit 17 Mio. weit mehr subsaharische Afrikaner in die islamischen Kernländer verschleppt wurden als über den Atlantik in die europäischen Kolonien (11,06 Mio.). Ein fürwahr nicht unbeträchtlicher Befund im Schatten bisheriger eurozentristischer Dogmen.

Im sechsten Kapitel „Der unwahrscheinliche Weg zur transatlantischen Sklaverei“ wird zunächst der europäische Entwicklungsgang der Sklaverei nach der Auflösung des römischen Reiches bzw. des Untergangs der römischen Sklaverei skizziert. Im Osten des ehemaligen Römischen Reiches (Byzanz), wo durch arabische Invasionen von 638 bis 678 etwa 2/3 des Gebietes und der Einwohner verloren gingen (die zum Teil versklavt wurden), bleib die Sklaverei nach römischem Recht zunächst erhalten, um dann im Mittelalter stark zurückzugehen. Im ehemaligen römischen Westreich, das unter der germanischen Invasion bis 476 zusammengebrochen war, wurde die abgestufte germanische Sklaverei adaptiert, aus der sich dann die mittelalterliche Leibeigenschaft und abgestufte Hörigkeit entwickelte. Resteuropa lebte wiederum fast ein Vierteljahrtausend mit der Gefahr, zur sklavenliefernden Peripherie des islamischen Imperiums zu werden.

Das nach fränkischem Recht ausgesprochene Verbot, Christen an nichtchristliche Händler zu verkaufen, wurde ständig missachtet. Hinzu kam die Sklavenbeuterei der Wikinger zwischen 827 und 972 und deren Sklavenexport ins muslimische Spanien oder in die Sklavenmärkte und Kastrationszentren von Buchara und Samarkand, so dass das islamische Spanien, vielfach in verzerrender Weise idyllisiert, zum Gebiet mit der höchsten Rate an importierten Sklaven wurde. Zudem sind die islamischen Razzien und Eroberungen im Mittelmeerraum (Sizilien, Emirat Bari, Angriff auf Rom etc.) sowie das Vordringen des versklavenden ungarischen Reitervolks bis nach Köln (911) zu erwähnen. Erst mit den militärischen Siegen von Otto I. auf dem Lechfeld (955) und der Vertreibung der Araber aus Südfrankreich war die Gefahr gebannt worden, dass Europa zu einer Lieferzone des sklavistischen islamischen Herrschaftssystems geworden wäre wie Afrika.

Flaig verweist in diesem Kontext auch auf den bedeutsamen Umstand, dass sich in Nordwesteuropa sklavenfreie Gebiete und eine antisklavistische Ideenformation im Spektrum minoritärer christlicher Strömungen etablieren konnte, wobei Letztere einen Anteil an der Verwandlung von Sklaverei in Leibeigenschaft gehabt haben dürfte. Von besonderer Bedeutung war hier vor allem auch die Entwicklung einer freiheitlichen nordwesteuropäischen Städtekultur („Stadtluft macht frei“). Der „Sachsenspiegel“ von 1235 war das erste Rechtsbuch der Weltgeschichte, in dem die Leibeigenschaft (und damit erst recht die Sklaverei) unter Rückgriff auf die Gottesebenbildlichkeitslehre Gregors von Nyssa und der freiheitsrechtlichen Interpretation des Kreuzestodes Christi verworfen wurde. Hier mag man einen wichtigen Entstehungsfunken sehen, der Eingang in die Herausbildung der Menschenrechtsidee gefunden hat. Doch nicht übersehen werden darf hierbei, dass erst die Durchbrechung der absoluten Deutungsmacht der katholischen Kirche den entscheidenden Qualitätsumschlag bewirkte.

Entgegen dieser antisklavistischen Minderheitenströmung im nordwesteuropäischen Christentum beginnt die europäische Sklaverei mit dem „Einklinken“ der überlegenen katholischen Seemacht Portugal in den innerafrikanischen Sklavenhandel, da diese mit ihren überlegenen Schiffen effektivere Sklaventransporte gewährleisten konnte. „Diese Vermittlerfunktion übernahmen sie, um das begehrte Gold gegen Sklaven von Niederguinea einzutauschen“ (S. 161f). Flaig sieht den transatlantischen Sklavenhandel, in dem über 11 Millionen Afrikaner deportiert wurden, als ein Nebenprodukt der Umwälzungen in der afrikanischen Lieferzone an, ohne diesen Umstand hinreichend zu belegen.

Unstrittig ist aber der Tatbestand, dass die Sklaverei bei den Ureinwohnern Amerikas längst etabliert war, also nicht erst mit dem Eintreffen der Spanier Einzug hielt. So war zum Beispiel das Aztekenreich eine sklavenhaltende Gesellschaft. In Spanien selbst wurde anhand der Frage „Ist es eine Todsünde, nichtchristliche Menschen zu versklaven?“ eine generelle Debatte über die Legitimität der Sklaverei geführt. In dieser vertrat Sepúlveda im Anschluss an Aristoteles die Ansicht, dass die Indianer Sklaven von Natur seien, während der Bischof Las Casas dem entgegenhielt, dass die Sklaverei einen Verstoß gegen die Menschenrechte darstelle. „Die Virulenz der spanischen Diskussion zeigte sich, als Jean Bodin 1570 als erster Staatsphilosoph prinzipiell verlangte, die Sklaverei abzuschaffen“ (S. 165), da diese dem Gesetz Gottes und der natürlichen Vernunft widerspreche. Auch aufgrund dieser Auseinandersetzungen umgingen die Spanier das Versklaven der einheimischen Bevölkerung Amerikas, indem sie seit 1520 afrikanische Sklaven importierten, welche ihnen die Portugiesen lieferten. (Die katholische Kompromisslösung der spanischen Herrscher lautete offensichtlich: Nur das Versklaven selbst, nicht aber der Einsatz von Sklaven verstoße möglicherweise gegen göttliche Gesetze.) Zum anderen wurde als Ersatz für das Versklaven der einheimischen Indianer deren Fronsystem übernommen und ausgebaut. „Im spanischen Reich existierte daher die afrikanische Sklaverei nur punktuell, bis sie am Ende des 18. Jhs. auf Cuba rapide zunahm. Die spanische Expansion hätte alleine kein sklavistisches Systemerzeugt“ (S. 165).

Ursache für die nach der islamischen Verschleppung zweitgrößte Sklavendeportation war dann die Entfaltung der Plantagenwirtschaft. Zielorte waren hier zunächst die portugiesischen Inseln im Atlantik und Brasilien. Zwischen 1530 und 1830 transportierten portugiesische und brasilianische Unternehmer 3,9 Mio. Schwarzafrikaner nach Brasilien, um sie auf den dort befindlichen Zuckerplantagen auszubeuten. Stärker als Flaig es tut, wäre der Umstand zu akzentuieren, dass die Sklavenimporte in dem Maße zunahmen, wie der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus in Europa voranschritt und sich die materielle Überlegenheit der westlich-europäischen Zivilisation auf ökonomischem, technischem und militärischem Gebiet materialisierte. So wurden um 1680 „mehr als 10.000 Versklavte jährlich nach Amerika verbracht; bald darauf überholte der europäische Sklavenimport aus Schwarzafrika den moslemischen“ (S. 171) Freilich blieben die Muslime der herausragende Akteur auf dem Gebiet der Erbeutung und des Verkaufs von Sklaven. Allein aus der Region Senegal/Oberguinea verkauften sie von 1500 bis 1800 etwa 1,1 Mio. Menschen. „Muslimische Händler im gesamten Großraum zwischen Sahara und Guinea-Küste waren in der frühen Phase des transatlantischen Handels die wichtigsten Lieferanten von Sklaven, und sie blieben bis in die Schlussphase bedeutend“ (S. 171)f.) So bleibt festzuhalten: Afrikaner verkauften also afrikanische Menschen, welche sie selber oder andere Afrikaner versklavt hatten. Dabei agierten die Eliten der afrikanischen Raubstaaten als ebenbürtige Partner und diktierten den Europäern normalerweise die Marktbedingungen. Sie beherrschten die Schnittstelle, an der sie die versklavten Opfer an die Europäer verkauften. Entsprechend gab es auf diesem „Geschäftsgebiet“ auch keinen ungleichen Tausch.

Im siebten Kapitel „Sklavistische Systeme in der neuen Welt“ werden die Formen der Sklaverei in Amerika behandelt, die sich dort von 1550 bis 1700 in vier Regionen herausgebildet hatten: 1) in einigen Städten des spanischen Reiches, 2) in den Plantagenzonen Brasiliens und Guyanas, 3) auf den karibischen Inseln und 4) in den britischen Kolonien Nordamerikas.

Flaig betont zunächst die geistig-moralische und rechtliche Spaltung der europäischen Mutterländer im Hinblick auf die Sklaverei. So widersprach die antisklavistische Haltung in Mittel-; West- und Nordeuropa („Die Luft Englands ist zu frei, als dass ein Sklave sie atmen könnte“) der Hinnahme und rechtlichen Regulierung der Sklaverei in den überseeischen Kolonien (Code Noir von Ludwig XIV. 1685). „Hinfort galt zweierlei Recht innerhalb derselben Königreiche, denn im Mutterland blieb verboten, was in den überseeischen Provinzen praktiziert wurde“ (S. 183).

Der Sonderfall der nordamerikanischen Sklaverei ergab sich aus folgenden Umständen:

1) Aus einer extremen Steigerung der Sklavenpopulation infolge einer besseren Lebenslage.

2) Dem Dominantwerden der Baumwollsklaverei. „Um 1860 arbeiteten fast 2 Millionen, also die Hälfte aller US-amerikanischen Sklaven auf 74.000 Baumwollplantagen.“ S. 186).

3) Da die nordamerikanischen Pflanzer im Unterschied zu den karibischen Zuckerplantagen ihre Betriebe selber führten, bildete sich ein paternalistisches Herren-Ethos aus, was wiederum das Zusammenleben der Sklaven in Pseudo-Familien begünstigte.

Flaig behauptet hier gar eine materielle Besserstellung der nordamerikanischen Sklaven im Vergleich zu den europäischen Proletariern. „Doch selbst die paternalistische Sklaverei musste ein Zwangssystem bleiben und wäre ohne Körperstrafen zusammengebrochen“ (S. 187.)

Zwar ist, wie der Autor deutlich macht, Rassismus der Sklaverei inhärent, aber dieser muss nicht zwangsläufig einer ‚Color-Line’ folgen. Diese entsteht nur, wenn die Sklavenschaft ethnisch homogen ist und deren Eigenschaften als signifikant und distinkt gelten. In dieser Perspektive werden folgende Faktoren genannt, die zur rassistischen Abwertung der Schwarzen führten:

1) Die christliche Monogamie der weißen Nordamerikaner blockierte die Vermischung von weißer und farbiger Bevölkerung.

2) Eine geringe Rate der Freilassungen in der Karibik und in Nordamerika verhinderte die vertikale Mobilität von Sklaven.

3) Es gab nur geringe soziale Chancen für die relativ kleine Zahl von Freigelassenen, in ökonomische Bereiche „einzunischen“ (wie in Brasilien oder in der Karibik), da fortlaufend europäische Zuwanderer auf den Arbeitsmarkt nachdrängten.

4) Die Diskriminierung freigelassener Neubürger diente der Bewahrung von Privilegien.

Entscheidend war auch, inwieweit das Mutterland dem Diskriminierungsdruck der kolonialen Privilegieninhaber nachgab, zum Beispiel der Inkraftsetzung von Rassengesetzen, die u. a. den Ausschluss der Schwarzen von öffentlichen und politischen Ämtern, den Verlust des Stimmrechts, interrassisches Heiratsverbot etc. festlegten. „Die rassische Diskriminierung wurde dort am stärksten verrechtlicht, wo die kolonialen Eliten am meisten Autonomie hatten; sie war – paradoxerweise – kein koloniales, sondern ein ‚antikoloniales’ Phänomen“ (S. 189).

Sehr nachdrücklich widerspricht Flaig der überholten These, wonach die Sklaverei in Afrika vor der Ankunft der Europäer marginal gewesen sei. So waren es vielmehr die Herausbildung islamisierter Raubstaaten im Kontext der imperialen islamischen Eroberungen sowie später dann die islamischen Djihads, die seit 1590 in Wellen über Westafrika schwappten, die erneut große Mengen von Sklaven auf die Märkte warfen und als hauptsächlicher Faktor für den Sklavenexport nach Amerika wirkten.

„Im 19. Jh. exportierte Schwarzafrika 3,5 Mio Sklaven über den Atlantik und 4,5 Mio in die Kernländer des Islam; den transatlantischen Export brachte die Blockade vor allem der Briten zwischen 1860/70 völlig zum erliegen; der islamische setzte sich bis etwa 1920 fort“ (S. 198).

Im achten und abschließenden Kapitel „Der Kampf um die Abschaffung der Sklaverei“ hält Flaig zunächst sehr zutreffend fest, dass die Abschaffung der Sklaverei eine menschliche Errungenschaft darstellt, die aus dem Boden der europäischen Kultur erwachsen ist. Demgegenüber hat es einen genuin islamischen Abolitionismus, der aus eigenen Ideen- und Quellenbeständen hätte schöpfen können, nie gegeben. „Zu sehr ist der Scharia-Islam auf das Versklaven als ein Ziel des Djihad ausgerichtet. Die maßgeblichen Gutachten moderner islamischer Rechtsgelehrter erklären demgemäß die Sklaverei nicht für prinzipiell inhuman, sondern für vorübergehend nicht praktizierbar“ (S. 199).

Als Träger abolitionistischer Strömungen traten zunächst protestantische Minoritäten bzw. evangelikale Sekten in Nordamerika auf, da hier keine kirchliche Hierarchie antisklavistische Propaganda verhindern konnte. Der zweitgrößte und einzig erfolgreiche Sklavenaufstand der Weltgeschichte auf Haiti war dann aber untrennbar mit der französischen Revolution und der mit ihr korrespondierenden Aufklärungsbewegung verbunden, die, anders als die abolitionistischen Sekten in Nordamerika, in den europäischen Ländern nicht unmittelbar mit dem Phänomen der Sklaverei konfrontiert war und sich demzufolge primär gegen die christliche Religion als Stütze der feudalen Herrschaftsverhältnisse wandte. Bezeichnenderweise jedenfalls trug im einzigen erfolgreichen Sklavenaufstand jene Strömung den Sieg davon, die sich am meisten von afrikanischen Traditionen entfernte und gemeinsam mit der revolutionären Metropole die Sklaverei unter dem Banner der Menschenrechte bekämpfte, d. h. sich der westlichen kulturellen Moderne anschloss.

Nach 1814 setzte eine Reihe von Versuchen europäischer Staaten ein, den Sklavenhandel zu unterbinden. 1833 beschloss das englische Parlament, die Sklaverei im gesamten Empire abzuschaffen. Doch es zeigte sich immer deutlicher, dass der Kampf gegen die Sklaverei auf das Versklaven selbst konzentriert werden musste. Von zentraler Bedeutung war in diesem Kontext dann der amerikanische Bürgerkrieg. Denn die moralische und rechtliche Dichotomie zwischen sklavereifreiem Mutterland und sklavistischer Peripherie, wie sie für europäische Gesellschaften wie England und Frankreich galt, zerriss im Falle der USA das Gemeinwesen im Inneren. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass es hier zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen zwei gegensätzlichen Kulturen kam, einer sklavistischen und einer menschenrechtlich-freiheitlichen. „Politiker der Südstaaten planten offen, aus der Union auszutreten, um zusammen mit den Sklavenhaltern der Karibik und Brasilien einen neuen großamerikanischen Sklavenhalterstaat zu errichten“ (S. 208).

Flaig akzentuiert den Kampf gegen Sklaverei ganz entschieden auch als Kampf zwischen westlicher und islamischer Herrschaftskultur , wobei er – ganz im Gegensatz zu den herkömmlichen eindimensionalen Schwarz-Weiß-Zeichnungen im Sinne herrschaftskritisch halbierter „antikolonialistischer“ Ideologie – die nichtwestlichen Herrschaftskulturen und deren Eliten als „Täter“ identifiziert[3]. Im großen Unterschied zur westlichen Welt entwickelten die islamischen Länder, deren sklavenimportierende Hauptgebiete das osmanische Reich, der Maghreb und Persien waren, nämlich aus eigener Kraft bzw. aus endogenen Quellen keinerlei tragfähigen Impulse für die Abschaffung der Sklaverei. So bedurfte es erst der Intervention der Briten, um mit der Besetzung Ägyptens den Sklavenhandel im Nahen Osten austrocknen, ausgenommen den weitergehenden Zustrom über das Rote Meer. Auch in Afrika musste die Abolition den Eliten gewaltsam aufgezwungen werden. Der Widerstand gegen den westlichen Imperialismus besaß somit seitens der islamischen Eliten vornehmlich den Charakter eines Kampfes gegen die Zumutung, ohne Sklaven auskommen zu müssen. „Eine stattliche Anzahl von moslemischen Warlords führte zwischen 1880 und 1910 vom Niger bis zum Nil ihre ‚antikolonialen Befreiungskriege’ gegen die Europäer, welche ihnen die wichtigste soziale Institution zerstören wollten“ (S. 212).

Flaig ist nachdrücklich zuzustimmen, wenn er die reaktionäre, antiuniversalistische und menschenrechtsfeindliche Wesensart der islamischen Herrschaftskultur herausarbeitet und auch den „konterrevolutionären“ Impetus im Gewand des „Anti-Kolonialismus“ anprangert. Er überzieht aber bis ins Unglaubwürdige, wenn er den westlich-kapitalistischen Imperialismus und Kolonialismus einseitig als antisklavistische und menschenrechtliche Befreiungsaktion interpretiert und dessen herrschaftliche (ökonomische, politische, militärische) Eroberungsantriebe ausblendet. Auch lässt er unberücksichtigt, dass die westlichen Herrschaftsträger in vielen Fällen, darunter die deutschen Nazis ebenso wie amerikanische Großkapitalisten, französische und englische Kolonialherren, mit den islamischen Herrschaftseliten aus eigennützigen Gründen paktierten und die Ideen der Aufklärung und die Menschenrechte ein ums andere Mal verrieten. Auch heutzutage ist es die spätkapitalistische Herrschaftselite, die den Vormarsch der islamischen Herrschaftskultur bis hin zur Kaperung des UN-Menschenrechtsrates zum Teil offen unterstützt, sich dieser zum Teil aus diversen Geschäftsinteressen andient und obendrein ihren multiplen Verrat an den Grundprinzipien der kulturellen Moderne auch noch als „kluge“ Eindämmungs- und „vernünftige“ Integrationspolitik verkauft.

 

(Hartmut Krauss, Osnabrück im September 2009)

 

[1] Vgl. Krauss, Hartmut: ‚Herrschaft’ als zentraler Problemgegenstand kritisch-emanzipatorischer Gesellschaftstheorie: http://www.glasnost.de/autoren/krauss/herrschaft1.html

[2] Damit ist Flaigs Buch selbstredend ein Ärgernis für jene, die ihm bereits jenen Tabubruch nicht verziehen haben, als er mit seinem tatsachengespickten Aufsatz „Der Islam will die Welteroberung“ in der FAZ vom 16.September 2006 den Zorn der ägyptischen Regierung auf sich zog. Diese hatte als Vergeltung die Auslieferung der FAZ und zweier weiterer westlicher Zeitungen verboten und einmal mehr offen demonstriert, wie Vertreter des Islam mit rational argumentierender Kritik und „Meinungsfreiheit“ umzugehen pflegen: verleumderische Uminterpretation in „Schmähung“ und „Aufruf zu Hass und Missachtung“. Nicht diese repressive Intoleranz erregt(e) die hiesigen islamophilen Gemüter, sondern Flaigs Argumentation.

[3] Vgl. hierzu ausführlich: Krauss, Hartmut: Anti-Empire. http://www.glasnost.de/autoren/krauss/glokritik.html

233 Seiten mit 5 Karten, 5 Tabellen und 4 Abbildungen. 12,95 €.Verlag C.H. Beck, München 2009. beck’sche reihe 1884. ISBN 978-3-406-58450-3.

‚Sklaverei’ bezeichnet als Zustand absoluter Unfreiheit, Rechtlosigkeit und tendenzieller Entmenschlichung der ihr Unterworfenen die intensivste Form zwischenmenschlicher Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse. Damit ist sie wesentlicher Teilaspekt einer allgemeinen Theorie gesellschaftlicher Herrschaft und gehört demnach mit ins Zentrum einer kritisch-emanzipatorischen Gesellschaftswissenschaft[1]. Dabei ist die Sklaverei keinesfalls ein rein historischer Erkenntnisgegenstand, der lediglich eine bestimmte, längst vergangene Epoche der Menschheitsgeschichte kennzeichnet, sondern stellt sehr wohl auch ein aktuelles sozialpathologisches Phänomen dar, wie Pino Arlacchi (2000) und Kevin Bales (2001) aufgezeigt haben. Grund genug also, Egon Flaigs nun vorgelegten Abriss etwas genauer zu rekapitulieren.

Schon in der Einleitung seiner prägnanten und erhellenden „Weltgeschichte der Sklaverei“, verweist der Autor, Lehrstuhlinhaber für Alte Geschichte an der Universität Rostock, auf folgende Tatbestände:

1) Als mehrere Jahrtausende andauerndes Sozialverhältnis ist Sklaverei eine ‚übergreifende’ Erscheinung in allen Hochkulturen, einschließlich vorstaatlicher Gesellschaften.

2) Nur einem Teil der Menschheit, gestützt auf das westliche Konzept der Menschenrechte, ist es gelungen, die Sklaverei in weiten Teil der Welt zu besiegen „und damit den tiefsten Bruch in der Weltgeschichte herbeizuführen“ (S. 11).

3) Ganz entgegen eurozentristischen Standardmythen „war die antike Sklaverei unter quantitativen Gesichtspunkten nicht herausragend. Die islamische war die umfangreichste der Geschichte; die transatlantische ist bedeutsam, weil sie von Anfang an bekämpft wurde und weil ihre politische und teilweise gewaltsame Abschaffung der Hebel war, um die Sklaverei weltweit zu besiegen“ (ebenda).

Wer mit solchen Thesen an den ideologischen Grundmythen des halb- bzw. pseudolinken Mainstreams rüttelt, wie er sich sowohl im universitären Bereich der politikabhängigen Auftragsforschung als auch im subtil konformisierten Feuilleton tummelt, muss natürlich darauf gefasst sein, dass er damit die diversen Klischeewächter insbesondere kulturrelativistischer und islamophiler Provinienz auf den Plan ruft.

Im ersten Kapitel „Politische Anthropologie der Sklaverei“ arbeitet Flaig zunächst den Unterschied der Sklaverei gegenüber anderen Formen radikaler Unfreiheit wie der totalitären Beherrschung und bestialischen Ausbeutung im stalinistischen Gulag sowie in den Konzentrationslagern der Nazis heraus. Trotz des enormen barbarischen Gewalteinsatzes blieb bei diesen extremen Unterdrückungsformen die private Verfügung über die Gefangenen minimal. Ebenso war es völlig ausgeschlossen, die Opfer als privatrechtlich garantiertes Eigentum zu nutzen und wie eine Ware zu behandeln. Gegenüber den aktuellen, weltweit zunehmenden Formen persönlicher Unfreiheit wie Vertragsknechtschaft, Schuldknechtschaft, Kinderverkauf/Kinderarbeit und erzwungene Prostitution, die illegal und inoffiziell existieren und bei Bekanntwerden staatliches Eingreifen provozieren, ist die Sklaverei eine legale, öffentlich anerkannte Institution.

Einen wesentlichen Teilaspekt der Sklaverei bilden die Modi des Versklavens, sei es durch gewaltsame Aktionen wie Krieg oder räuberische Überfälle, durch Tributzahlungen in Form von Menschen oder Entführungen; als rechtliche Versklavung infolge einer Kriminalstrafe oder einer auferlegten Schuldentilgung; als familiale Überlebensstrategie via Kinderaussetzung, Kinderverkauf oder freiwilligem Selbstverkauf oder infolge biologischer Abstammung: geborener Sklave als Kind von Sklaven-Eltern.

„Intrusiv ist eine Sklaverei, wenn die Sklaven überwiegend als Fremde in die sklavistische Gesellschaft importiert werden. Extrusiv ist sie, wenn Sklaven überwiegend aus der eigenen Gesellschaft stammen“ (S. 17). Waren die antike, die islamische und die transatlantische Sklaverei – auf die sich Flaig in seiner Abhandlung beschränkt – überwiegend intrusiv, so sind die chinesische Sklaverei der Han-Zeit, die mittelalterliche und frühneuzeitliche koreanische Sklaverei sowie die russische Sklaverei des 17. und 18. Jhs. Beispiele für die verbreitetere und historisch dauerhaftere Form der extrusiven Sklaverei. Allerdings blieben in Russland und China die Sklaven überwiegend „Staatssklaven“ und wurden nicht wie eine Ware gehandelt („Kaufsklaverei“).

Recht eingehend behandelt der Autor die subjektive Betroffenheitsdimension der unter das Sklavenjoch gefallenen Menschen und führt in diesem Kontext vier Grundmerkmale versklavungstypischer Dehumanisierung und Entsubjektivierung an:

1) Entsozialisierung infolge des „Heraussreißens“ des Betroffenen aus seiner vertrauten sozialisatorisch wirksamen Lebensumwelt mit ihren emotionalen Bindungen und affektiven Besetzungen.

2) Entpersönlichung durch Verwandlung der versklavten Person in ein käufliches und vollständig fremdbestimmtes Waren-Ding, das willkürliche Strafen wie ein Tier erleiden muss.

3) Entsexualisierung vermittels der Verwandlung insbesondere der versklavten Frauen in reine Arbeitswerkzeuge bei gleichzeitiger Stillegung ihrer Mutterfunktion: (Es sei denn, die Herren wollten gezielt Sklaven züchten.)

4) Entzivilisierung per Verwandlung des Individuums in ein verwandtschaftsloses atomisiertes Etwas ohne sozialen und menschlichen Status.

Infolge dieser absoluten Entwürdigung büßen die Unterworfenen jedwede Selbstachtung ein und verinnerlichen ihren entmenschlichten Status in Form eines extremen „Minderwertigkeitskomplexes“, so dass sie die ihnen von außen entgegengebrachte Verachtung, weil offenkundig von minderwertiger Natur zu sein, im Sinne einer sich selbst bestätigenden Prophezeiung auf der Verhaltensoberfläche verifizieren. Dieses verinnerlichte Minderwertigkeitsgefühl und das damit korrespondierende Fehlen von Selbstachtung ist auch ein wesentlicher Grund für das weitgehende Ausbleiben von Sklavenaufständen.

Flaig macht auch darauf aufmerksam, dass selbst bei der Ausübung „höherer Tätigkeiten“ im Auftrag des Herrn der Sklave dennoch stets das Objekt völliger Abhängigkeit und absoluter Willkür bleibt: Eine Laune des Herrn reduziert ihn zum Nichts; „darum ist der Sklave tatsächlich ‚sozial tot’, obwohl ihm gelegentlich sogar herrschaftliche Aufgaben anvertraut werden“ (S. 21). Damit erweist sich die absolute Abhängigkeit von der Willkür des Herrn als Kernmerkmal des Sklavendaseins (Statusinkonsistenz).

Gesellschaftstheoretisch bedeutsam ist die Unterscheidung zwischen einer sklavistischen Produktionsweise und einer bloß sklavistischen Gesellschaft. Im ersten Fall ist der Einsatz eines großen Teils von Sklaven im gewinnträchtigsten Produktionszweig für die ökonomische Reproduktion unabdingbar. „Das war der Fall im Nordosten Brasiliens, in der Karibik und in den Südsaaten der USA, nicht aber in der griechischen und römischen Antike. Um eine sklavistische Gesellschaft zu konstituieren, reicht ein Sklavenanteil von 15 % der Bevölkerung; bereits dann ist die Sklaverei omnipräsent und durchdringt alle Lebensbereiche. Im amerikanischen Süden vor dem Bürgerkrieg waren es etwa 33%; im Athen der klassischen Zeit dürfte diese hohe Quote kaum je erreicht worden sein“ (S.26).

In diesem Zusammenhang vertritt Flaig gegen Meillassoux die Auffassung, dass die Gewährung des Lebens in Pseudo-Familien sowie die Aussicht auf Freilassung ein Ansporn für den Sklaven war, seine Arbeitsleistung zu verbessern und damit die Ausbeutungsrate des Herrn zu steigern. Die häufig vertretene Auffassung, dass Sklaverei grundsätzlich ökonomisch unrentabel sei, ist in modernen Untersuchungen widerlegt worden.

In dem Maße, wie sklavistische Gesellschaften zwecks Aufrechterhaltung ihres Systems auf die permanente Zufuhr von Sklaven von außerhalb angewiesen sind, also ein intrusiver Typ von Sklaverei vorliegt, bleiben zwei Wege der Rekrutierung: Entweder Erbeutung von Sklaven durch Razzien bzw. Kriege, was den beständigen Unterhalt von eigenen ‚Fangapparaten’ erforderlich macht, oder Kauf von Sklaven, wobei man die jeweiligen Fang- und Deportationskosten bezahlt. Damit erzeugt das System der instrusiven Sklaverei als ‚Metropole’ eine geopolitische Umwelt von Lieferzonen versklavter Menschen, die als ‚Peripherie’ fungieren und in denen eine erweiterte Reproduktion von multistrategischen Versklavungsprozessen stattfindet. Wichtig ist, dass die intrusive Metropole ihre (militärische) Überlegenheit in eine dauerhafte politische Überordnung transformiert, um so „Tributleistungen in Form von Sklaven zu verlangen. Islamische Emirate und Sultanate praktizierten diesen Brauch in großem Stil“ (S. 29). Damit wird eine regressive ‚sozialdarwinistische’ Selbstzerstörungsspirale in der Lieferzone in Gang gesetzt, indem tributpflichtige Stämme ihrerseits von schwächeren Nachbarstämmen die abverlangte Sklavenzahl erbeuten: die jeweils stärkeren Stämme werden zu Sklavenjägern, die unterliegenden Völker zu permanenten Opfern von Razzien. Auf diese Weise entsteht und reproduziert sich eine antagonistische Entwicklungsdynamik zwischen „blühender“ Metropole und degenerativer Peripherie. Somit „zwingen sklavistische Gesellschaften des intrusiven Typs ihren Nachbarn eine Unterentwicklung auf. Unterentwicklung im Sinne einer Peripherie-Metropolen-Struktur gibt es nicht erst mit dem kapitalistischen Weltmarkt. Sondern sie entsteht mit einem System, das eine ständige Zufuhr von Menschen benötigt“ (S.32).

Vor diesem kategorialen Hintergrund beleuchtet Flaig im Folgenden die drei intrusiven Formen der antiken, islamischen und transatlantischen Sklaverei.

Im zweiten Kapitel „Sklaverei in antiken Gesellschaften“ skizziert der Autor zunächst die weniger bekannten Formen der archaischen Sklaverei vor der klassischen Antike (im Orient, im pharaonischen Ägypten und im Judentum), um dann einen Überblick über die weithin bekanntere Sklaverei im alten Griechenland sowie in Rom zu geben. Auch die Sklavenaufstände im römischen Herrschaftsgebiet werden kurz abgehandelt. Angesprochen werden sollen hier aber nur die antiken (Legitimations-)Diskurse zur Sklaverei: Während im Judentum in Anlehnung an Noahs Fluch über seinen Enkel Kanaan die Sklaverei als biblisch bzw. göttlich verordnetes Schicksal bestimmter Völker angesehen wird, findet sich bei den Griechen eine Pluralität von Begründungen, die sich auf die Kategorien ‚Schicksal’, ‚natürliche Minderwertigkeit’ und ‚Ungerechtigkeit’ reduzieren lassen. Während Homer die Sklaven als Menschen ansieht, die durch ein widriges Schicksal in diese Lebenslage geraten sind, in der sie dann charakterlich geschädigt und somit sekundär „minderwertig“ werden, halten Platon und Aristoteles die Sklaven für „von Natur aus“ minderwertig. So sieht Aristoteles den Unterschied zwischen dem Freien und dem Sklaven darin begründet, dass Letzterem die planende Vernunft fehle. Zudem konstruiert er die Herren aus klimatheoretischen Gegebenheiten, wobei die Griechen – im Vergleich zu den Nordeuropäern (mutig, aber behaftet mit einem Mangel an Intelligenz und Kunstfertigkeit) und den Asiaten (intelligent und kunstfertig, aber mutlos und deshalb zu Untertänigkeit und potentiellem Sklavensein verdammt) – „ethnopatriotisch“ am besten abschneiden: Das griechische Volk „ist mutig und intelligent. So ist es frei, hat die beste Staatsverfassung und die Fähigkeit, über alle zu herrschen“ (S. 74). Zu Beginn des 4 Jhs. v. Chr. wird dann die Ansicht verbreitet, dass die Sklaverei wider die Natur und die Gerechtigkeit sei. Zum Beispiel entwarf Zenon, der Gründer der stoischen Philosophie, einen Weltstaat ohne Sklaverei. Die Stoa griff zum Mittel der Entwichtigung der Skaverei als „Ersatz“ für konkrete Bekämpfung und lehrte, „alle Menschen seien unterschiedlichsten Zwängen unterworfen, deshalb sei die Sklaverei eine zufällige Lebenslage, welche den Charakter und Wert eines Menschen überhaupt nicht beeinträchtige; denn sie bleibe der menschlichen Seele völlig äußerlich“ (S. 76). Sämtliche römischen Denker, so Flaig, lehnten das aristotelische Konzept des Sklaven von Natur ab, und die Juristen schufen stattdessen die Unterscheidung zwischen ‚natürlichem Recht’ (ius naturale), nach welchem die Menschen frei und gleich seien und dem allgemeinem Recht der Völker (ius genitum), in welchem wiederum die Sklaverei als Institution sanktioniert ist. Obwohl wider der Natur, ist die Sklaverei damit in eigentümlicher Weise dennoch legitimiert.

Im frühen Christentum finden sich sowohl Stimmen, die sich gegen die Sklaverei als Übel wenden, als auch Positionen, die in ihr eine göttliche Vorherbestimmung sehen. „Fast die gesamte Patristik nahm an, die Menschen seien von Natur aus frei, die Sklaverei allerdings eine Folge der Sünde“ (S. 80). Abolitionistische Minderheiten, die bereits im frühen Christentum vorhanden waren, wurden von den Kirchenoberen bekämpft und die westliche Patristik rechtfertigte weit überwiegend die Sklaverei, wobei diese von Augustinus als Folge des Sündenfalls dogmatisiert wurde.

Das dritte Kapitel „Ein interkontinentales sklavistisches System. Die islamische Welt“ markiert einen Tabubruch bzw. einen Verstoß gegen die herrschenden Regeln politisch korrekter Realitätsausblendung. Flaig arbeitet nämlich in diesem Kapitel Grundzüge der islamischen Sklaverei heraus, ohne die der mittelalterlich-vorkapitalistische Imperialismus des Islam gar nicht hätte existieren können. Damit spricht er einen historischen Wirklichkeitsbereich an, der a) in der deutschen curricularen Bildungslandschaft so gut wie gar nicht vorkommt, aber b) dafür durchaus von prägendem Einfluss für das „Selbstbewusstsein“ heutiger orthodoxer Muslime ist[2].

Entgegen der seit dem 19. Jahrhundert einsetzenden Beschönigung und Romantisierung der islamischen Sklaverei, benennt und begründet Flaig folgende Charakteristika der islamischen Sklaverei:

1) Infolge der expansiven Eroberungswellen der imperialen Herrschaftskultur des Islam wurden mehr Sklavenmengen erbeutet als zur Zeit der römischen Expansion. Als zum Beispiel „die Muslime Spanien unterwarfen, versklavten sie 150.000 Menschen“ (S. 84). Als bleibende Eigenart hebt Flaig den Umstand hervor, wie die islamische intrusive Sklaverei sich auf doppelte Weise riesige Sklavenmengen beschaffte: Zum einen durch Erbeutung im Rahmen der vielfältigen Eroberungsdjihads und zum anderen durch die Möglichkeit, auf der Grundlage riesiger Reichtümer große Sklavenmassen zu kaufen. Letzteres hatte zur Folge, „dass die islamische Kultur als sklavenimportierende ‚Metropole’ in der Peripherie die Versklavungsprozesse so anheizte, wie es bis dahin in der Weltgeschichte noch nie geschehen war. Die Sogwirkung dieser Importe reichte in Europa bis zu den Wikingern und zu den Ungarn, in Russland bis zur mittleren Wolga und tief nach Kasachstan bis über Turkmenistan hinaus“ (S. 85).

2) Als erstes weltwirtschaftliches System und gleichzeitig größtes sklavistisches System der Weltgeschichte benötigte das islamische Herrschaftsgebiet folglich einen enormen Zustrom von Sklaven, der aus folgenden Hauptlieferzonen schöpfte: „1. der Südrand Europas und das byzantinische Anatolien, 2. der mehrere tausend Kilometer lange Gürtel entlang der Graslandsteppe vom slawischen Mittelosteuropa über Russland bis hinein nach Zentralasien, 3. Indien, 4. Schwarzafrika“ (S. 87). Als Versklaver schlechthin eigneten sich die nomadischen Steppenreiter. Von daher war die Konversion der Türken und Tataren zum Islam von Bedeutung, denn nun konnten deren traditionelle Razzien djihadisiert, d. h. gezielt gegen nichtmuslimische „Opferzonen“ gerichtet werden. „Hätten sich die beiden karolingischen Nachfolgereiche und das englische Königtum nicht im 10. Jh. stabilisiert, dann hätte das westliche Europa das Schicksal Afrikas und der russischen Steppe erlitten“ (ebenda). Allein die Krimtataren versklavten von 1468 bis 1694 etwa 1,75 Millionen Ukrainer, Polen und Russen.

3) Da das islamische Herrschaftssystem als göttlich legitimierte Ordnung weder die Partizipation von Bürgern noch die Existenz von Kontrollorganen der Herrschaft kennt, rekrutierte der nach despotischer Allmacht strebende Herrscher (Kalif, Sultan) willfährige Stäbe aus Sklaven (Militärsklaven, Eunuchen), um somit dem Druck der Stämme und Clans zu entgehen und sich vor möglichen Sturzversuchen von Stammesaristokraten zu schützen. In diesen Kontext gehört auch der gewaltsame Raub und die Zwangsislamisierung christlicher Kinder, aus deren Reihen die fähigsten rekrutiert und zu fanatischen Elitekämpfern der osmanischen Dynastie abgerichtet wurden, die sog. Janitscharen, ein Korps von 30.000 bis 60.000 Militärsklaven. „Die islamische politische Kultur erzeugte somit einen Staatstyp, in dem alle Bestimmungen von Staatlichkeit – nämlich dass Menschen sich politisch organisieren – auf radikalste Weise pervertiert waren. Nach Meillassoux erreichte dieser Staatstyp das äußerste Stadium der Sklaverei und trieb ihre Logik auf die Spitze: Sklaven fungierten als Rädchen im Getriebe einer militärischen Maschine, welche jegliche Chance auf politische Selbstbestimmung- von Städten oder Gemeinden – zunichte machte“ (S. 97).

4) Die Sklaverei ist integraler Bestandteil des koranischen und schariatischen Normensystems des Islam und zugleich fest eingefügt in die ihn kennzeichnende religiös abgeleitete Ungleichheitsstruktur zwischen Muslimen und Nichtmuslimen. So gilt der Unglaube, d. h. die Nichtunterwerfung bzw. vorgefundene Nichtunterworfenheit unter den Islam als wesentlicher Legitimationsgrund der Versklavung. Entsprechend besagt der juristische Grundkonsens der Muslime, dass zu versklaven ist, wer als Ungläubiger in einem Djihad in Gefangenschaft gerät. Falls die Sklaven eines christlichen Herrn zum Islam konvertierten, musste ihr Herr sie an einen Moslem verkaufen. Nur muslimische Sklaven konnten nach einer Empfehlung des Propheten Mohammeds freigelassen werden, ohne allerdings das Stigma der Sklaverei wirklich überwinden zu können. Erhellend ist in diesem Kontext auch die konkrete Praxis von Schariagerichten: „noch im 18. Jh. erklärte ein Fürst der Futa Jallon einem europäischen Sklavenhändler, dass die Gerichtshöfe alles taten, um schuldigen Muslimen die Sklaverei zu ersparen, wohingegen sie möglichst viele Ungläubige zur Sklaverei verurteilten“ (S. 108).

Das Schicksal der Sklaverei unter dem Diktat des Islam ist also noch einmal nachhaltig nach religiösen Zugehörigkeitskriterien hierarchisch überformt.

Im vierten Kapitel: „Wie entstand der Hautfarben-Rassismus?“ verweist der Autor zunächst auf die kulturübergreifend feststellbare Tendenz, die „Anderen“ abzuwerten. Diese Tendenz schlägt dann in ‚Rassismus’ um, wenn man den „Anderen“ eine natürliche, in ihrem „Wesen“ liegende Minderwertigkeit als irreversibles Eigenschaftsmerkmal unterstellt. Da nun die Sklaverei eine extreme, nicht kompensierbare zwischenmenschliche Ungleichheit erzeugt, entsteht aus ihr „unweigerlich die Vorstellung, die anderen seien absolut minderwertige Wesen, quasi einer anderen Gattung zugehörig“ (S. 124). Dabei müssen die rassistisch abgewerteten „Andern“ nicht unbedingt Angehörige einer anderen Ethnie sein, sondern können auch der eigenen „Volksgruppe“ angehören, wenn sie sich – wie Sklaven – in einem aufgezwungenen Zustand sich fortlaufend reproduzierender Ungleichstellung befinden. Flaig führt in diesem Zusammenhang die protestierende Aussage des koreanischen Königs Chungnyol an, der sich in klassisch „rechtsreaktionärer“ Weise gegen die Willensbekundung des chinesischen Kaisers Kno-li Chi-su wendet, das System der Sklaverei zu reformieren (um 1300):

„Unsere Ahnen haben uns gelehrt, dass diese sklavischen Wesen einer anderen Rasse angehören, und es ihnen daher unmöglich ist, normale Menschen zu werden. Der Lehre unserer Vorfahren zuwiderzuhandeln hieße, unsere soziale Ordnung zu gefährden“ (ebenda).

In der Antike finden sich, wie bei Aristoteles, zwar Diskurse, in denen „klimatheoretisch“ abgeleitete zwischenethnische Wesensunterschiede konstruiert werden, aber kein „Hautfarben-Rassismus“. Erst später fanden diese antiken klimatheoretischen Lehren Eingang in den Begründungsdiskurs eines islamischen Rassismus der Hautfarbe durch muslimische Theoretiker der Sklaverei. Den realen Referenzrahmen für diesen islamischen Rassismus der Hautfarbe bildete der historische Tatbestand, dass arabische Seefahrer schon seit Jahrhunderten der vorislamischen Zeit schwarze Sklaven entlang der ostafrikanischen Küste transportierten, um die großen persischen Zuckerplantagen zu beliefern. Die (selektive) Rezeption der hellenistischen Kultur infolge der islamischen Eroberungen brachte es dann mit sich, dass islamische Theoretiker nun in Anknüpfung an die besagten Klimatheorien eine rassistische Begründungslehre der islamischen Sklaverei ausarbeiteten. Dabei wies der islamische Rassismus ‚passfömig’ eine dreiteilige Struktur auf: „Zwei minderwertige Rassen (Schwarz und Weiß), beheimatet in den extremen Klimazonen, stehen einer hochwertigen (Rot und Hellbraun) in der ‚mittleren’ Zone gegenüber. Demgemäß gelten auch Türken, Slawen und Chinesen als minderwertige Rassen“ (S. 129). Diese dreigliedrige hierarchische Rassenlehre findet sich auch bei den ‚Vorzeigehelden’ des westlichen Orientalistik wie Avicenna, al-Andalusi, dem jüdischen Philosophen Maimonides und Ibn Khaldun. So äußerte sich der Letztgenannte folgendermaßen über das Untermenschentum der Schwarzen:

„Daher sind in der Regel die schwarzen Völker der Sklaverei unterwürfig, denn (sie) haben wenig Menschliches und haben Eigenschaften, die ganz ähnlich denen von stummen Tieren sind, wie wir festgestellt haben“ (S. 129).

Gestützt auf diese Kaliber brachte die islamische Welt als einzige sklavistische Gesellschaft Handbücher für Sklavenkauf hervor und trug damit erheblich zum Aufbau und zur Verfestigung alltagsrassistische Vorurteilsmuster bei. „Erst fünf Jahrhunderte später gelangt dieser klimatheoretisch begründete, ‚szientistische’ Hautfarbenrassismus zu den Europäern; seine Elemente bleiben zunächst arabisch, das auf die vielen Übersetzungen und vor allem den Einfluss von Avicennas medinzinische Schriften zurückzuführen ist“ (S. 131).

Im Folgenden legt Flaig dar, wie der biblische Fluch Noahs über seinen Enkel Kanaan, als monotheistisches Rechtfertigungsdispositiv sowohl in jüdische als auch in islamische und christliche Legitimationsdiskurse der Sklaverei Einzug gehalten hat. Abschließend wird dann der Sachverhalt behandelt, dass die islamische Welt die erste Gesellschaft in der Weltgeschichte war, in der es immer wieder zu gewaltsamen rassischen Konfrontationen kam, wobei insbesondere die Aufstellung ethnisch homogener Einheiten von Militärsklaven eine wesentliche Rolle spielte.

Im fünften Kapitel „Schwarzafrika. Selbstzerstörung einer Lieferzone“ wird die erweiterte Reproduktion der islamischen Massensklaverei in der Produktion (Plantagenwirtschaft; Bewässerung; Feldarbeit; Gold-, Kupfer- und Salzminen) beleuchtet, wobei Schwarzafrika die Rolle als intensiv genutzte Beute- bzw. Lieferzone einnahm. Eine wichtige Prämisse bildete die Züchtung großer Pferderassen im Sudan, die dadurch ermöglichte rasche Vermehrung der Pferdebestände, die „Verreiterung“ nomadischer Stämme und deren Funktion als Akteure von Sklavenrazzien. „Mit der Zunahme der Pferde wurden im 15. Jh. die jährlichen Jagdzüge der Sultane in ‚Sklavengebiete’ länger und großräumiger“ (S. 142). Auf diese Weise wurde die bereits angesprochene Selbstzerstörungsspirale in Gang gesetzt, die zu wechselseitigen Sklavenjagden zwischen den Stämmen führte. In diesem Kontext kam es zum einen zur Verschiebung der Zwecke des Djihad zugunsten der Rekrutierung von Sklaven (statt Zwang zur Konversion) und zum anderen zur Brechung der islamischen Versklavungsregeln, d. h. zur Versklavung von Muslimen. „Der heutige Dafur-Konflikt ist bloß eine der tausendfachen Wiederholungen jenes Gegensatzes zwischen nomadischen Reitern und dem Kulturland“ (S. 144f.). Vor diesem Hintergrund weist Flaig auf die damit verbundenen Dezivilisierungstendenzen hin. „Die subsaharischen Jagden waren häufig Genozide im strengsten Sinne, da von vielen Ethnien buchstäblich niemand mehr übrig blieb. Wer von den Gefangenen nicht zum Sklaven taugte, wie Greise und Kranke, wurde niedergemetzelt“ (S. 145). Insgesamt hält der Autor als Resultat fest, dass mit 17 Mio. weit mehr subsaharische Afrikaner in die islamischen Kernländer verschleppt wurden als über den Atlantik in die europäischen Kolonien (11,06 Mio.). Ein fürwahr nicht unbeträchtlicher Befund im Schatten bisheriger eurozentristischer Dogmen.

Im sechsten Kapitel „Der unwahrscheinliche Weg zur transatlantischen Sklaverei“ wird zunächst der europäische Entwicklungsgang der Sklaverei nach der Auflösung des römischen Reiches bzw. des Untergangs der römischen Sklaverei skizziert. Im Osten des ehemaligen Römischen Reiches (Byzanz), wo durch arabische Invasionen von 638 bis 678 etwa 2/3 des Gebietes und der Einwohner verloren gingen (die zum Teil versklavt wurden), bleib die Sklaverei nach römischem Recht zunächst erhalten, um dann im Mittelalter stark zurückzugehen. Im ehemaligen römischen Westreich, das unter der germanischen Invasion bis 476 zusammengebrochen war, wurde die abgestufte germanische Sklaverei adaptiert, aus der sich dann die mittelalterliche Leibeigenschaft und abgestufte Hörigkeit entwickelte. Resteuropa lebte wiederum fast ein Vierteljahrtausend mit der Gefahr, zur sklavenliefernden Peripherie des islamischen Imperiums zu werden.

Das nach fränkischem Recht ausgesprochene Verbot, Christen an nichtchristliche Händler zu verkaufen, wurde ständig missachtet. Hinzu kam die Sklavenbeuterei der Wikinger zwischen 827 und 972 und deren Sklavenexport ins muslimische Spanien oder in die Sklavenmärkte und Kastrationszentren von Buchara und Samarkand, so dass das islamische Spanien, vielfach in verzerrender Weise idyllisiert, zum Gebiet mit der höchsten Rate an importierten Sklaven wurde. Zudem sind die islamischen Razzien und Eroberungen im Mittelmeerraum (Sizilien, Emirat Bari, Angriff auf Rom etc.) sowie das Vordringen des versklavenden ungarischen Reitervolks bis nach Köln (911) zu erwähnen. Erst mit den militärischen Siegen von Otto I. auf dem Lechfeld (955) und der Vertreibung der Araber aus Südfrankreich war die Gefahr gebannt worden, dass Europa zu einer Lieferzone des sklavistischen islamischen Herrschaftssystems geworden wäre wie Afrika.

Flaig verweist in diesem Kontext auch auf den bedeutsamen Umstand, dass sich in Nordwesteuropa sklavenfreie Gebiete und eine antisklavistische Ideenformation im Spektrum minoritärer christlicher Strömungen etablieren konnte, wobei Letztere einen Anteil an der Verwandlung von Sklaverei in Leibeigenschaft gehabt haben dürfte. Von besonderer Bedeutung war hier vor allem auch die Entwicklung einer freiheitlichen nordwesteuropäischen Städtekultur („Stadtluft macht frei“). Der „Sachsenspiegel“ von 1235 war das erste Rechtsbuch der Weltgeschichte, in dem die Leibeigenschaft (und damit erst recht die Sklaverei) unter Rückgriff auf die Gottesebenbildlichkeitslehre Gregors von Nyssa und der freiheitsrechtlichen Interpretation des Kreuzestodes Christi verworfen wurde. Hier mag man einen wichtigen Entstehungsfunken sehen, der Eingang in die Herausbildung der Menschenrechtsidee gefunden hat. Doch nicht übersehen werden darf hierbei, dass erst die Durchbrechung der absoluten Deutungsmacht der katholischen Kirche den entscheidenden Qualitätsumschlag bewirkte.

Entgegen dieser antisklavistischen Minderheitenströmung im nordwesteuropäischen Christentum beginnt die europäische Sklaverei mit dem „Einklinken“ der überlegenen katholischen Seemacht Portugal in den innerafrikanischen Sklavenhandel, da diese mit ihren überlegenen Schiffen effektivere Sklaventransporte gewährleisten konnte. „Diese Vermittlerfunktion übernahmen sie, um das begehrte Gold gegen Sklaven von Niederguinea einzutauschen“ (S. 161f). Flaig sieht den transatlantischen Sklavenhandel, in dem über 11 Millionen Afrikaner deportiert wurden, als ein Nebenprodukt der Umwälzungen in der afrikanischen Lieferzone an, ohne diesen Umstand hinreichend zu belegen.

Unstrittig ist aber der Tatbestand, dass die Sklaverei bei den Ureinwohnern Amerikas längst etabliert war, also nicht erst mit dem Eintreffen der Spanier Einzug hielt. So war zum Beispiel das Aztekenreich eine sklavenhaltende Gesellschaft. In Spanien selbst wurde anhand der Frage „Ist es eine Todsünde, nichtchristliche Menschen zu versklaven?“ eine generelle Debatte über die Legitimität der Sklaverei geführt. In dieser vertrat Sepúlveda im Anschluss an Aristoteles die Ansicht, dass die Indianer Sklaven von Natur seien, während der Bischof Las Casas dem entgegenhielt, dass die Sklaverei einen Verstoß gegen die Menschenrechte darstelle. „Die Virulenz der spanischen Diskussion zeigte sich, als Jean Bodin 1570 als erster Staatsphilosoph prinzipiell verlangte, die Sklaverei abzuschaffen“ (S. 165), da diese dem Gesetz Gottes und der natürlichen Vernunft widerspreche. Auch aufgrund dieser Auseinandersetzungen umgingen die Spanier das Versklaven der einheimischen Bevölkerung Amerikas, indem sie seit 1520 afrikanische Sklaven importierten, welche ihnen die Portugiesen lieferten. (Die katholische Kompromisslösung der spanischen Herrscher lautete offensichtlich: Nur das Versklaven selbst, nicht aber der Einsatz von Sklaven verstoße möglicherweise gegen göttliche Gesetze.) Zum anderen wurde als Ersatz für das Versklaven der einheimischen Indianer deren Fronsystem übernommen und ausgebaut. „Im spanischen Reich existierte daher die afrikanische Sklaverei nur punktuell, bis sie am Ende des 18. Jhs. auf Cuba rapide zunahm. Die spanische Expansion hätte alleine kein sklavistisches Systemerzeugt“ (S. 165).

Ursache für die nach der islamischen Verschleppung zweitgrößte Sklavendeportation war dann die Entfaltung der Plantagenwirtschaft. Zielorte waren hier zunächst die portugiesischen Inseln im Atlantik und Brasilien. Zwischen 1530 und 1830 transportierten portugiesische und brasilianische Unternehmer 3,9 Mio. Schwarzafrikaner nach Brasilien, um sie auf den dort befindlichen Zuckerplantagen auszubeuten. Stärker als Flaig es tut, wäre der Umstand zu akzentuieren, dass die Sklavenimporte in dem Maße zunahmen, wie der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus in Europa voranschritt und sich die materielle Überlegenheit der westlich-europäischen Zivilisation auf ökonomischem, technischem und militärischem Gebiet materialisierte. So wurden um 1680 „mehr als 10.000 Versklavte jährlich nach Amerika verbracht; bald darauf überholte der europäische Sklavenimport aus Schwarzafrika den moslemischen“ (S. 171) Freilich blieben die Muslime der herausragende Akteur auf dem Gebiet der Erbeutung und des Verkaufs von Sklaven. Allein aus der Region Senegal/Oberguinea verkauften sie von 1500 bis 1800 etwa 1,1 Mio. Menschen. „Muslimische Händler im gesamten Großraum zwischen Sahara und Guinea-Küste waren in der frühen Phase des transatlantischen Handels die wichtigsten Lieferanten von Sklaven, und sie blieben bis in die Schlussphase bedeutend“ (S. 171)f.) So bleibt festzuhalten: Afrikaner verkauften also afrikanische Menschen, welche sie selber oder andere Afrikaner versklavt hatten. Dabei agierten die Eliten der afrikanischen Raubstaaten als ebenbürtige Partner und diktierten den Europäern normalerweise die Marktbedingungen. Sie beherrschten die Schnittstelle, an der sie die versklavten Opfer an die Europäer verkauften. Entsprechend gab es auf diesem „Geschäftsgebiet“ auch keinen ungleichen Tausch.

Im siebten Kapitel „Sklavistische Systeme in der neuen Welt“ werden die Formen der Sklaverei in Amerika behandelt, die sich dort von 1550 bis 1700 in vier Regionen herausgebildet hatten: 1) in einigen Städten des spanischen Reiches, 2) in den Plantagenzonen Brasiliens und Guyanas, 3) auf den karibischen Inseln und 4) in den britischen Kolonien Nordamerikas.

Flaig betont zunächst die geistig-moralische und rechtliche Spaltung der europäischen Mutterländer im Hinblick auf die Sklaverei. So widersprach die antisklavistische Haltung in Mittel-; West- und Nordeuropa („Die Luft Englands ist zu frei, als dass ein Sklave sie atmen könnte“) der Hinnahme und rechtlichen Regulierung der Sklaverei in den überseeischen Kolonien (Code Noir von Ludwig XIV. 1685). „Hinfort galt zweierlei Recht innerhalb derselben Königreiche, denn im Mutterland blieb verboten, was in den überseeischen Provinzen praktiziert wurde“ (S. 183).

Der Sonderfall der nordamerikanischen Sklaverei ergab sich aus folgenden Umständen:

1) Aus einer extremen Steigerung der Sklavenpopulation infolge einer besseren Lebenslage.

2) Dem Dominantwerden der Baumwollsklaverei. „Um 1860 arbeiteten fast 2 Millionen, also die Hälfte aller US-amerikanischen Sklaven auf 74.000 Baumwollplantagen.“ S. 186).

3) Da die nordamerikanischen Pflanzer im Unterschied zu den karibischen Zuckerplantagen ihre Betriebe selber führten, bildete sich ein paternalistisches Herren-Ethos aus, was wiederum das Zusammenleben der Sklaven in Pseudo-Familien begünstigte.

Flaig behauptet hier gar eine materielle Besserstellung der nordamerikanischen Sklaven im Vergleich zu den europäischen Proletariern. „Doch selbst die paternalistische Sklaverei musste ein Zwangssystem bleiben und wäre ohne Körperstrafen zusammengebrochen“ (S. 187.)

Zwar ist, wie der Autor deutlich macht, Rassismus der Sklaverei inhärent, aber dieser muss nicht zwangsläufig einer ‚Color-Line’ folgen. Diese entsteht nur, wenn die Sklavenschaft ethnisch homogen ist und deren Eigenschaften als signifikant und distinkt gelten. In dieser Perspektive werden folgende Faktoren genannt, die zur rassistischen Abwertung der Schwarzen führten:

1) Die christliche Monogamie der weißen Nordamerikaner blockierte die Vermischung von weißer und farbiger Bevölkerung.

2) Eine geringe Rate der Freilassungen in der Karibik und in Nordamerika verhinderte die vertikale Mobilität von Sklaven.

3) Es gab nur geringe soziale Chancen für die relativ kleine Zahl von Freigelassenen, in ökonomische Bereiche „einzunischen“ (wie in Brasilien oder in der Karibik), da fortlaufend europäische Zuwanderer auf den Arbeitsmarkt nachdrängten.

4) Die Diskriminierung freigelassener Neubürger diente der Bewahrung von Privilegien.

Entscheidend war auch, inwieweit das Mutterland dem Diskriminierungsdruck der kolonialen Privilegieninhaber nachgab, zum Beispiel der Inkraftsetzung von Rassengesetzen, die u. a. den Ausschluss der Schwarzen von öffentlichen und politischen Ämtern, den Verlust des Stimmrechts, interrassisches Heiratsverbot etc. festlegten. „Die rassische Diskriminierung wurde dort am stärksten verrechtlicht, wo die kolonialen Eliten am meisten Autonomie hatten; sie war – paradoxerweise – kein koloniales, sondern ein ‚antikoloniales’ Phänomen“ (S. 189).

Sehr nachdrücklich widerspricht Flaig der überholten These, wonach die Sklaverei in Afrika vor der Ankunft der Europäer marginal gewesen sei. So waren es vielmehr die Herausbildung islamisierter Raubstaaten im Kontext der imperialen islamischen Eroberungen sowie später dann die islamischen Djihads, die seit 1590 in Wellen über Westafrika schwappten, die erneut große Mengen von Sklaven auf die Märkte warfen und als hauptsächlicher Faktor für den Sklavenexport nach Amerika wirkten.

„Im 19. Jh. exportierte Schwarzafrika 3,5 Mio Sklaven über den Atlantik und 4,5 Mio in die Kernländer des Islam; den transatlantischen Export brachte die Blockade vor allem der Briten zwischen 1860/70 völlig zum erliegen; der islamische setzte sich bis etwa 1920 fort“ (S. 198).

Im achten und abschließenden Kapitel „Der Kampf um die Abschaffung der Sklaverei“ hält Flaig zunächst sehr zutreffend fest, dass die Abschaffung der Sklaverei eine menschliche Errungenschaft darstellt, die aus dem Boden der europäischen Kultur erwachsen ist. Demgegenüber hat es einen genuin islamischen Abolitionismus, der aus eigenen Ideen- und Quellenbeständen hätte schöpfen können, nie gegeben. „Zu sehr ist der Scharia-Islam auf das Versklaven als ein Ziel des Djihad ausgerichtet. Die maßgeblichen Gutachten moderner islamischer Rechtsgelehrter erklären demgemäß die Sklaverei nicht für prinzipiell inhuman, sondern für vorübergehend nicht praktizierbar“ (S. 199).

Als Träger abolitionistischer Strömungen traten zunächst protestantische Minoritäten bzw. evangelikale Sekten in Nordamerika auf, da hier keine kirchliche Hierarchie antisklavistische Propaganda verhindern konnte. Der zweitgrößte und einzig erfolgreiche Sklavenaufstand der Weltgeschichte auf Haiti war dann aber untrennbar mit der französischen Revolution und der mit ihr korrespondierenden Aufklärungsbewegung verbunden, die, anders als die abolitionistischen Sekten in Nordamerika, in den europäischen Ländern nicht unmittelbar mit dem Phänomen der Sklaverei konfrontiert war und sich demzufolge primär gegen die christliche Religion als Stütze der feudalen Herrschaftsverhältnisse wandte. Bezeichnenderweise jedenfalls trug im einzigen erfolgreichen Sklavenaufstand jene Strömung den Sieg davon, die sich am meisten von afrikanischen Traditionen entfernte und gemeinsam mit der revolutionären Metropole die Sklaverei unter dem Banner der Menschenrechte bekämpfte, d. h. sich der westlichen kulturellen Moderne anschloss.

Nach 1814 setzte eine Reihe von Versuchen europäischer Staaten ein, den Sklavenhandel zu unterbinden. 1833 beschloss das englische Parlament, die Sklaverei im gesamten Empire abzuschaffen. Doch es zeigte sich immer deutlicher, dass der Kampf gegen die Sklaverei auf das Versklaven selbst konzentriert werden musste. Von zentraler Bedeutung war in diesem Kontext dann der amerikanische Bürgerkrieg. Denn die moralische und rechtliche Dichotomie zwischen sklavereifreiem Mutterland und sklavistischer Peripherie, wie sie für europäische Gesellschaften wie England und Frankreich galt, zerriss im Falle der USA das Gemeinwesen im Inneren. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass es hier zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen zwei gegensätzlichen Kulturen kam, einer sklavistischen und einer menschenrechtlich-freiheitlichen. „Politiker der Südstaaten planten offen, aus der Union auszutreten, um zusammen mit den Sklavenhaltern der Karibik und Brasilien einen neuen großamerikanischen Sklavenhalterstaat zu errichten“ (S. 208).

Flaig akzentuiert den Kampf gegen Sklaverei ganz entschieden auch als Kampf zwischen westlicher und islamischer Herrschaftskultur , wobei er – ganz im Gegensatz zu den herkömmlichen eindimensionalen Schwarz-Weiß-Zeichnungen im Sinne herrschaftskritisch halbierter „antikolonialistischer“ Ideologie – die nichtwestlichen Herrschaftskulturen und deren Eliten als „Täter“ identifiziert[3]. Im großen Unterschied zur westlichen Welt entwickelten die islamischen Länder, deren sklavenimportierende Hauptgebiete das osmanische Reich, der Maghreb und Persien waren, nämlich aus eigener Kraft bzw. aus endogenen Quellen keinerlei tragfähigen Impulse für die Abschaffung der Sklaverei. So bedurfte es erst der Intervention der Briten, um mit der Besetzung Ägyptens den Sklavenhandel im Nahen Osten austrocknen, ausgenommen den weitergehenden Zustrom über das Rote Meer. Auch in Afrika musste die Abolition den Eliten gewaltsam aufgezwungen werden. Der Widerstand gegen den westlichen Imperialismus besaß somit seitens der islamischen Eliten vornehmlich den Charakter eines Kampfes gegen die Zumutung, ohne Sklaven auskommen zu müssen. „Eine stattliche Anzahl von moslemischen Warlords führte zwischen 1880 und 1910 vom Niger bis zum Nil ihre ‚antikolonialen Befreiungskriege’ gegen die Europäer, welche ihnen die wichtigste soziale Institution zerstören wollten“ (S. 212).

Flaig ist nachdrücklich zuzustimmen, wenn er die reaktionäre, antiuniversalistische und menschenrechtsfeindliche Wesensart der islamischen Herrschaftskultur herausarbeitet und auch den „konterrevolutionären“ Impetus im Gewand des „Anti-Kolonialismus“ anprangert. Er überzieht aber bis ins Unglaubwürdige, wenn er den westlich-kapitalistischen Imperialismus und Kolonialismus einseitig als antisklavistische und menschenrechtliche Befreiungsaktion interpretiert und dessen herrschaftliche (ökonomische, politische, militärische) Eroberungsantriebe ausblendet. Auch lässt er unberücksichtigt, dass die westlichen Herrschaftsträger in vielen Fällen, darunter die deutschen Nazis ebenso wie amerikanische Großkapitalisten, französische und englische Kolonialherren, mit den islamischen Herrschaftseliten aus eigennützigen Gründen paktierten und die Ideen der Aufklärung und die Menschenrechte ein ums andere Mal verrieten. Auch heutzutage ist es die spätkapitalistische Herrschaftselite, die den Vormarsch der islamischen Herrschaftskultur bis hin zur Kaperung des UN-Menschenrechtsrates zum Teil offen unterstützt, sich dieser zum Teil aus diversen Geschäftsinteressen andient und obendrein ihren multiplen Verrat an den Grundprinzipien der kulturellen Moderne auch noch als „kluge“ Eindämmungs- und „vernünftige“ Integrationspolitik verkauft.

 

(Hartmut Krauss, Osnabrück im September 2009)

 

[1] Vgl. Krauss, Hartmut: ‚Herrschaft’ als zentraler Problemgegenstand kritisch-emanzipatorischer Gesellschaftstheorie: http://www.glasnost.de/autoren/krauss/herrschaft1.html

[2] Damit ist Flaigs Buch selbstredend ein Ärgernis für jene, die ihm bereits jenen Tabubruch nicht verziehen haben, als er mit seinem tatsachengespickten Aufsatz „Der Islam will die Welteroberung“ in der FAZ vom 16.September 2006 den Zorn der ägyptischen Regierung auf sich zog. Diese hatte als Vergeltung die Auslieferung der FAZ und zweier weiterer westlicher Zeitungen verboten und einmal mehr offen demonstriert, wie Vertreter des Islam mit rational argumentierender Kritik und „Meinungsfreiheit“ umzugehen pflegen: verleumderische Uminterpretation in „Schmähung“ und „Aufruf zu Hass und Missachtung“. Nicht diese repressive Intoleranz erregt(e) die hiesigen islamophilen Gemüter, sondern Flaigs Argumentation.

[3] Vgl. hierzu ausführlich: Krauss, Hartmut: Anti-Empire. http://www.glasnost.de/autoren/krauss/glokritik.html

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