Islamistischer Staatsbesuch zum 80. Jahrestag der Machtergreifung des Nationalsozialismus

 In Stellungnahmen

Stellungnahme des HINTERGRUND-Verlags zu einem Treppenwitz der Geschichte

 

Heute vor achtzig Jahren, am 30 Januar 1933, wurde die Regierungsmacht im deutschen Reich an die hitlerfaschistische NSDAP und ihre rechtskonservativen Verbündeten (Stahlhelm und Deutschnationale Volkspartei) übertragen. Im Endeffekt wurde damit in formal-legaler Weise das demokratische System der Weimarer Republik in die offene Diktatur des Nationalsozialismus überführt, die in funktionaler Hinsicht durchaus auch als

„offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ (Dimitroff) bestimmt werden kann. Allerdings war die entscheidende Voraussetzung für die Durchsetzung dieser Diktatur die umfassende Verseuchung breiter Teile der Bevölkerung mit reaktionärer, chauvinistischer und rassistisch-antisemitischer Ideologie im Rahmen der „Massenpsychologie des Faschismus“ bzw. der vorgängigen sozialisatorischen Vermittlung des „autoritären Charakters“.

In diesem Kontext bildete, wie Wilhelm Reich sich ausdrückte, „die religiöse Verseuchung die wichtigste massenpsychologische Massnahme (…), die den Grund für die Aufnahme faschistischer Ideologie in der Krise legt“. Schon die Papenregierung hatte in einem Erlass zur Erziehung der Jugend vom Frühjahr 1932 den unverzichtbaren Stellenwert der religiösen Unterweisung für das deutsche Volk hervorgehoben:

„Weichlichkeit und zu weit getriebene Rücksicht auf jede individuelle Neigung sind unangebracht gegenüber einer Jugend, die vom Leben einmal hart angepackt wird. … Die Erziehung zur Staatsgesinnung und zum Volksbürgertum empfängt ihre stärkste innerliche Kraft aus den Wahrheiten des Christentums … Treue und Verantwortung gegenüber Volk und Vaterland haben ihre tiefste Verankerung im christlichen Glauben. Deshalb wird es stets meine besondere Pflicht sein, das Recht und die freie Entfaltung der christlichen Schule und die christliche Grundlage aller Erziehung zu sichern“.

Über ihren grundlegenden Beitrag zur Formung ich-schwacher, unterwerfungsbereiter, autoritätsfixierter und auf Erlösung von oben durch eine messianische Gestalt hoffende Menschen hinaus konnte Hitler unmittelbar an der religiös-patriarchalen Sexualmoral anknüpfen, indem er die „blutschänderische“ Vereinigung mit fremden Rassen, insbesondere mit der „kulturzerstörerischen jüdischen Rasse“ als „Sünde wider den Willen des ewigen Schöpfers“ brandmarkte. Insgesamt betrachtet, adaptierte und reformulierte die hitlerfaschistische Bewegung zentrale christlich-religiöse Bedeutungsmomente und war darum bemüht, sich rituell und institutionell als „neue Kirche“ zu formieren[1]. Von herausragender Bedeutung war hierbei die vielschichtige Inszenierung eines Führerkultes um die Person Adolf Hitlers, der übernatürliche und übermenschliche Kräfte zugeschrieben wurden und die de facto als Lichtgestalt eines Neuen Messias verklärt wurde. Erst im Gefolgschaftsverhältnis zum „Führer“, diesem heilsbringenden Gott-Menschen, erhielt die völkisch-rassische Gemeinschaft Lebenssinn, Gestalt und Ordnung. Darüber hinaus manifestierte sich der „neukirchlich“-religiöse Charakter des Nationalsozialismus in der Durchführung zahlloser liturgisch organisierter Aufmärsche, Kundgebungen und Zeremonien, vom Hitlergruß bis zur Blutfahne, vom Märtyrerkult bis zur SS-Weihe, die vor einem Hitler-Bildnis praktiziert wurde, das auf einem mit Hakenkreuzen geschmückten Altar stand.

So war es dann auch durchaus „normal“, dass die NSDAP, flankiert durch zahlreiche gewalttätige Übergriffe auf die politischen Gegner (KPD und SPD), bei den letzten Reichtagswahlen am 5. März 1933 bei einer Wahlbeteiligung von 88,7 Prozent knapp 44 Prozent der Stimmen erhielt: Ist das Massenbewusstsein erst einmal durch autoritäre Erziehung deformiert sowie durch reaktionäre Ideologie manipuliert und eine demokratisch-emanzipatorische Leitkultur eliminiert oder von vornherein blockiert, lässt sich’s wählen ungeniert. So ist es totalitären, ideologisch gleichgeschalteten bzw. repressiv hegemonierten Systemen im Zustand relativer Stabilität jederzeit möglich, sich durch „Wahlen“ ein pseudodemokratisches Legitimationsmäntelchen umzuhängen und nach außen als „seriöser Dialogpartner“ aufzutreten.

Vor diesem Hintergrund ist es nun ein Treppenwitz der Geschichte, dass genau am 80. Jahrestag der Machtergreifung des Hitlerfaschismus mit Mohammed Mursi, dem islamistischen Staatspräsidenten Ägyptens, der Vertreter einer Bewegung zu einem Staatsbesuch erscheint, die in vielerlei Hinsicht das totalitäre Erbe des Nationalsozialismus angetreten hat.

Zum Verhältnis von Islam/Islamismus, Faschismus/Nationalsozialismus und totalitärer Gesellschaft vgl. http://www.gam-online.de/text-Islam-faschismus.html

Der Nährboden für die Machtergreifung der Muslimbrüder und der Salafisten war und ist der große rückständige, traditionalistisch geprägte, zum Teil analphabetische Bevölkerungsteil, der den normativen Dogmen des orthodoxen Islam reflexartig folgt. Gestützt auf diesen ausschlaggebenden herrschaftskulturellen Vorsprung gelangten Mursi und die hinter ihm stehenden islamistischen Gruppen an die Macht und sind nun bestrebt, unter Einsatz von informellen (Schlägerbanden) und offiziellen Gewalt- und Repressionsmitteln (Polizei; Militär; Notstandsverordnungen) eine Islamisierung der vorgefundenen autoritären Machtstrukturen durchzusetzen und abzusichern. Im Zentrum steht hierbei die verfassungspolitisch abgesegnete Ausweitung der Scharia als politisch-ideologisches Herrschaftsinstrument sowie die sukzessive Islamisierung aller gesellschaftlichen Lebensbereiche. Als zentrale Hindernisse erweisen sich hierbei zum einen die gravierenden sozialökonomischen Probleme und Krisenprozesse der ägyptischen Gesellschaft (Massenarbeitslosigkeit, Einkommensarmut, Mangel an ausbildungsadäquaten Positionen für den großen Nachwuchs, Rückgang des Tourismus als wesentliche Einnahmequelle etc.) sowie der bewundernswerte Widerstand der städtisch-säkularen Kräfte und der entwicklungsblockierten Jugend mit höherer Bildung.

In Anbetracht der aktuellen Kämpfe gegen die Errichtung eines autoritären Militär-Islamismus in Ägypten sollte der Dialog nicht mit der Führerfigur des islamistischen Repressionsregimes, sondern primär mit der säkularen Opposition gepflegt werden. Es wäre ein schwerer Fehler, jetzt durch staatlich-diplomatische Hofierungsakte gegenüber dem Repräsentanten der islamistischen Repression der säkular-demokratischen Widerstandsbewegung in den Rücken zu fallen. Anstatt den Islamisten Schulden zu erlassen, sollte die deutsche Regierung Mursi eindringlich dazu aufrufen, auf die Forderungen der Opposition einzugehen.

Lesen Sie auch das folgende Interview:

http://www.freidenker.at/index.php/blog/2214-vom-islamisten-zum-atheisten.html (Teil 1)

http://www.freidenker.at/index.php/blog/2252-vom-islamisten-zum-atheisten-teil-2.html (Teil 2)

 

Osnabrück, 30. Januar 2013

[1] Entgegen der Legende, der Nationalsozialismus sei areligiös oder gar antireligiös bzw. atheistisch gewesen, handelt es sich bei ihm tatsächlich um eine antiklerikal-religiöse Bewegung, der es gelang, breite Teile der deutschen Christen und Kirchenfunktionäre auf ihre Seite zu ziehen. Der Ehrgeiz der Nazis war demnach darauf konzentriert, nicht etwa die christliche Religion auszulöschen, sondern ein neues, radikalisiertes, ‚hartes‘ Christentum zu schaffen. Oder – psychoanalytisch ausgedrückt – : „An die Stelle des masochistischen, internationalistischen Christentums soll das sadistisch-narzistische des Nationalismus treten“ (Reich 1933, S. 174).

 

 

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